Neujahrswünsche anders betrachtet...

           Der Morgenspaziergang heute – geliebte Gewohnheit. Als ich Kai von der Leine befreite, raste der ohne das Kommando abzuwarten über die Straße. Ich hatte die kleine cremefarbige, herrenlose Hündin nicht bemerkt, die hinter dem Kiosk hervorgekommen war. Sie mag unseren Rüden und setzt sich für ihn in Positur. Damit er sie ausgiebig beschnuppern und auch etwas belecken kann. Deren Art von Küsschen. Danach spielen sie beide ein wenig miteinander, bis Kai erneut auf das Kommando hört und weiterläuft. 
           Während ich auf diesen Moment wartete, kam ein Mann näher. Ich erkannte den Gehilfen des Tierarztes einer kleinen Praxis. Er mag unseren Hund, war aber heute wie abwesend. Wir begrüßten einander mit Handschlag. Ich wünschte ihm Gesundheit und alles Gute zum Neuen Jahr, wie es hier üblich ist, wenn man sich nach dem Jahreswechsel erstmalig trifft. Er antwortete dankend ebenso, setzte danach fort: „Für mich hat das Jahr traurig begonnen. Wir beerdigen heute unsere älteste Schwester. Von uns fünf Geschwistern sind nun nur noch zwei übrig.“ Dann setzte er plötzlich aufschluchzend fort: „Sie war unserer Mutter so ähnlich.“ 
            Was bleibt in einer solchen Situation? 
          Das tun, was ich auf der Plattform gutefrage.net seit langem rate. Ihn aufzumuntern, sein Selbstbewusstsein stärken. Also: „Sie wären froh, wenn die Schwester noch leben würde?“ „Aber gewiss doch!“ „Ihre Schwester hätte ihnen heute sicher auch alles Gute für das Neue Jahr gewünscht?“ „Natürlich!“ „Meinen sie, dass dieser Wunsch nicht mehr existiert, weil ihre Schwester in die Vergangenheit entschwunden ist?“ Er überlegte mit der Antwort. Da legte ich nach: „Wir leben doch alle auf dem Grat zwischen unbekannter Vergangenheit, als wir nicht geboren waren, und jener, in die wir mit unserem Namen eingehen. Aber für unsere Lieben sind wir doch noch da – in der Erinnerung. Vor allem mit guten Handlungen und Wünschen. Der unausgesprochene Wunsch ihrer Schwester hießt doch: Bruder, lebe wohl! Auch wenn ich nicht neben dir bin.“ 
            Er sah mich sehr aufmerksam an und sagte: „Danke! Sie haben mir sehr geholfen.“ Wir verabschiedeten uns. 

         Zurück zum Thema. 
        Meine Glückwünsche zu Geburtstagen und ähnlichen Festen enthalten immer, dass ich zur Gesundheit immer interessantes Erleben beifüge und den Wunsch für seelische Stärke, um die unvermeidlichen Schicksalsschläge zu ertragen. 
       Nach anfänglicher Verwunderung hat mir schon häufig  mancher gesagt: „Du hast ja recht. Es gibt im Leben nicht nur ständig Sonne.“ 

          Wir haben beim Spaziergang dann noch einen Mann mit einer wunderhübschen Laika-Hündin getroffen. Unsere beiden Tiere haben aneinander Gefallen gefunden und kurzzeitig lebhaft miteinander gespielt. 
          Kaum heimgekommen, vibrierte mein Handy. Der Gesprächspartner ließ mich erst ein wenig zappeln, bis er sich zu erkennen gab. Wir hatten uns vor 12 Jahren kennen gelernt – er einen Lastzug in Leasing von der Firma übernommen, deren Vertretung ich leitete. Nach dem Default 1998 in Russland war dieses sein Geschäft ausgefallen. Wir trafen uns aber hin und wieder familiär, bis die unterschiedlichen Aufgaben uns doch auseinander brachten. Vor 3  Jahren gab es unseren letzten Kontakt. Nun hatte er beim „großen Saubermachen“ zum Neuen Jahr meine Telefonnummer gefunden und spontan angerufen. Wir werden uns bald wieder einmal treffen. 
        Dieses nette Neujahrserlebnis beschloss optimistisch den Morgen. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





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