Die Verluste der Heimreise waren verschmerzt - schließlich war ich gesund zurückgekommen. Den Rest besorgte die Zeit und alles das, was täglich an Neuem geschieht.
Am Folgetag gab es das typische - von vielen Bekannten die Frage, weshalb ich so lange im Straßenbild und auf dem Markt nicht zu sehen gewesen bin. Auf den wahrheitsgemäßen Bericht folgte zweierlei: Bedauern und Abwehr der Argumentation meiner Frau.
Ich bekam wahre Geschichten zu hören davon, wie einige im proppevollen Bus um ihre Geldbörse oder auf der Bahnreise um ihr Gepäck gebracht wurden. Von einem Bekannten gab es diesen Scherz als Draufgabe: Ein Dieb aus Odessa kam aus dem Knast zurück. Mit der Eisenbahn. Auf dem Bahnhofsvorplatz stellte er seinen Koffer ab, streckte die Hände seitwärts in die Höhe und rief: "Sehe ich dich endlich wieder, mein liebes Odessa!" Als er die Hände senkte, war sein Koffer fort.
Während der Hund vorauslief, sprach mich ein etwa 40-jähriger Mann an. Er war in Begleitung, unschwer war an Flugzetteln und einigen Büchlein zu erkennen, dass man mich für eine Sekte gewinnen wollte. Gab es schon häufig - ohne Erfolg.
Doch der Herr stellte sich als Dmitriy vor und bat mich, eine Frage stellen zu dürfen. Er wisse, dass ich Deutscher sei. Nun habe er ein deutsches Auto gekauft und möchte gern wissen, ob ich ihm behilflich sein könne, damit dieses wie ein Uhrwerk funktioniert. Ich lehnte ab. Gern würde ich bei Übersetzung von Teilen der Betriebsanleitung helfen. Aber am Auto zu basteln fiele mir nicht ein. Eben darum wollte er mich bitten - für anderes hätte er selbst geschickte Hände und eine Werkstatt. Wir tauschten die Handynummern aus. Noch hat er nicht angerufen, obwohl eine Woche vorbei ist.
Meine Erlebnisse in Warschau habe ich auch bei unserer Bekannten vom Kiosk erzählt. Eine während des Gesprächs dazugekommene Frau bemerkte ohne lange zu überlegen: "Das waren gewiss unsere Leute, die da eine Gastrolle geben."
Wenn auch ich kritisch gegenüber meiner Heimat Deutschland eingestellt bin, sage ich zu Missständen etwas immer sehr behutsam. Wie kann, vor allem in dieser Zeit, eine Ukrainerin so reagieren?
Also drehte ich mich zu ihr um: "Wenn ihnen so etwas leicht über die Lippen kommt, ist es schade um den Ruf dieses Landes. Ich habe daran nicht einmal gedacht." Sie wurde knallrot und verschwand.
Dafür belustigte mich eine andere, besonders ansehnliche Dame durch die englische Aufschrift auf ihrem extrem gut gefüllten T-Shirt. Da stand über die gesamte, besonders gewölbte Vorderfront mit einem Ausschnitt für acht Personen: "Secret of victory" - "Geheimnis des Sieges". Meine Natascha lächelte, als ich ihr von dieser Beobachtung erzählte. Denn sie hatte ohne Aufschrift vor Jahren einen ähnlich begründbaren Sieg errungen...
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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