Schick in der Fahne...

Am ersten September begann hier traditionsgemäß das neue Schuljahr. 

Im vom Krieg in seinem Ostteil gebeutelten Land gab es für die "nicht unter ukrainischer staatlicher Lenkung" befindlichen Gebiete einen Aufschub. Verständlich. 
Aber auch extrem unangenehm für jemanden, der mit den Menschen hier solidarisch ist. Darüber ist unter http://mein-ostblock.blogspot.com/2014/09/krieg-ansichtssache.html zu lesen. 

Allerdings hat die aktuelle Situation auch etwas Erfreuliches für sich. In unserer relativ ruhigen Region rund 80 km südlich von Kiew sind in den letzten Tagen zwei bunte Gruppen im allgemeinen Straßenbild aufgetaucht. 

Das waren für mich als erstes nach dem für den Schulanfang hier ganz typischen "Morgenappell" mit dem Gesang der Hymne des Landes - klang von der etwa 200 m Luftlinie entfernten Schule herüber - die diesmal besonders vielen Schülerinnen und auch Schüler in den unterschiedlichen Varianten der nationalen, genauer folkloristischen Kleidung.
Entweder ganz in Form von Kleidern oder teilweise - also zumindest in so sichtbaren Blusen oder Hemden. Genannt "wyshiwanka" - im Deutschen etwa "etwas Handgearbeitetes". 

Zum anderen etwas mehr als in den Ferienmonaten junge, hübsche und dem Anlass entsprechend besonders gekleidete Frauen. Eindeutig zu den Schülern gehörende Lehrerinnen. Typisch, dass ihr Anteil die Menge als Lehrer erkennbare Männer wesentlich übertraf. Ist wohl auch in Deutschland ähnlich. 

Viele der Genannten trugen zusätzlich an der Kleidung oder den Schultaschen (Rucksäcken) die staatliche ukrainische Symbolik - die blau-gelben Fähnchen oder Bänder. 

Hier erinnere ich mich an einen Vorgang zum Ende der 80-er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Ich war zu einem Vortrag des in der DDR (Deutsche Demokratische Republik) hoch geachteten Professors Jürgen Kuczynski. Er war bekannt für seine immer sehr offenen Antworten. Ihn hatte ich fragen wollen, warum in der DDR das Singen der Hymne des Landes nicht mehr üblich war. Mich hatte darin der Satz "...Deutschland, einig Vaterland..." zu einigen nicht ganz unkritischen Überlegungen angeregt. 

Leider hatte sich lange vor mir ein amerikanischer Journalist gemeldet. Über seine Frage und die gründliche Antwort des - wenn notwendig auch sehr systemkritischen - Professors vergaß ich mein Ansinnen. 

Zurück nach heute und zur Überschrift. Denn an genanntem Tag kam mir am Nachmittag in einer Gruppe ihrer Schülerinnen eine sehr gutgewachsenen, naturblonde Lehrerin entgegen. Die blaue Bluse passte sehr gut zu dem hellen Haar - und der zitronengelbe Rock über den hübschen Beinen machte die ganze Erscheinung weiterhin zu einer Augenweide für einen normal empfindenden Mann. Die Farben der Staatsflagge unterstrichen hier auf das Beste die Individualität der Trägerin - und ihr Anliegen. Die wachsende sehr eigene und positive Zugehörigkeit der sich von ehemaligen Untertanen zu echten Bürgern ihres Landes entwickelnden Menschen.

Die ganze Gruppe strahlte den Optimismus des einfachen, gewöhnlichen Lebens aus. Wie er für mich auch in jeder knospenden oder entfalteten Blüte zu sehen ist.


Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





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