Was, wenn kein Instinkt?

Pünktlich zum 21. September wurde in diesem Jahr der Übergang vom Sommer zum Herbst vollzogen. Die lange Schönwetterlage ist ganz plötzlich zu einer Regenzeit mit intensivem Temperatursturz geworden. Als solches nicht besonders erwähnenswert. Nur sind die Spaziergänge mit Hund dabei erwartungsgemäß nicht so angenehm und deshalb merklich kürzer als gewohnt. 
Heute in der Frühe war es nun sehr windig, einzelne Bäume in der Nacht umgebrochen. Vor allem solche, welche die Stadtreinigung hätte vorsichtshalber schon längst abholzen lassen müssen. Aber hier ist man damit - vor allem aus Finanzmangel - nicht so rasch.

Der täglich an mehr Freilauf gewöhnte Hund hat nicht zu erkennen gegeben, dass er sich an eine läufige Hündin erinnerte. Sondern beim Einbiegen in unsere Straße, nicht angeleint, machte er sich auf und davon. Ohne wie gewohnt auf Rufe oder Pfiffe zu gehorchen. Weil ich Temperatursturz und Wind unterschätzt hatte, war ich für diese morgendlichen Bedingungen sehr sparsam bekleidet. Den Hund hätte ich sowieso nicht einholen können. Also ging ich heim, zog mir einen Pullover über. Machte mich dann auf zur Holzbrücke über den Fluss Ros. Dorthin kam unser Kai immer, wenn er einmal auf der Duftspur einer läufigen Hündin ausgerissen war. 
Nur fand ich ihn diesmal nicht gleich. Nachdem ich noch in einen bekannten Weg eingebogen war, der zu seiner uns ebenso bekannten Freundin führte, war von ihm nichts zu sehen. Also wanderte ich zurück zur Brücke. Traf dort einen Bekannten, wir plauderten ein wenig. Plötzlich kam mein Bello gelaufen - aus Richtung Wohnung. 
Die Standpauke und einen leichten Hieb hinter die Ohren nahm er gleichmütig entgegen. Wusste ja, wofür. Er musste nach meiner Meinung auf einer Parallelstraße zu mir gekommen sein. 
Allerdings war ich doch erstaunt, als mir unsere Hauswartsfrau sagte, sie hätte den Hund an den nahen Getränkekiosken getroffen, wo er eindeutig suchend herumgerannt sei. Sie hätte ihn "heimgeschickt". Dass Kai, nachdem er einen großen Bogen gelaufen war, mich anschließend "gefunden" hatte, ist wohl keine instinktive, sondern eine Vernunftleistung gewesen. Über die ich mich gefreut habe. Eines dieser kleines Stückchen Lebensglück.

Die etwas lautere Freude, richtiges Gelächter, löste der Anruf eines guten Bekannten aus. Er fragte meine Natascha, wo denn unser Auto wäre. Er hätte ein vom umgestürzten Baum zerstörtes gesehen. Auf die Frage, warum er bei uns anrufe, antwortete er - sich auf einen Vorfall im Winter beziehend - dass unser Fahrzeug doch Bäume anlocke. Wir lachten alle drei herzlich.

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger 




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