Vor dem IV. Advent...

Am Montag nach dem III. Advent ging ich in der Frühe schon heim mit dem Hund, als uns ein junges Mädchen entgegen kam. Geschätzt etwa 12 bis 16 Jahre. Nicht besonders groß, zwischen zierlich und fraulich von der Figur. Aber beschwingten, auch eleganten Schritts und mit einen beseelten Lächeln, glänzenden Augen. Es war zu sehen, dass es einen "Guten Morgen!" hatte, wodurch auch immer veranlasst - denn so sehen Schülerinnen gewöhnlich auf dem täglichen Schulweg nicht aus. 

Dann ging ich zur gewohnten Morgenvisite am Kiosk von Olga vorbei, die mich mit den Worten begrüßte: "Wie können sie sich nur in meinen Traum drängen?" Ich hatte am Vorabend der ausgebildeten Tierärztin meine Sorge um unseren zunehmend häufiger ohne erkennbaren Anlass winselnden Hund geschildert. Das musste sie beeindruckt haben. Ich hätte als Baby mit meinem schönsten Lächeln auf ihren Armen gelegen. Die Frage, ob sie mich auch gestillt hätte, beantwortete sie schlagfertig mit "Ist das nicht zuviel Wunschdenken?". Wir trennten uns lachend. 

Am Abend rief recht spät der Unternehmer aus Deutschland an, für welchen ich bei Erfordernis in der Ukraine oder in Russland als Dolmetscher tätig werde. Ob ich gesund und frei sei. Das erste bejahte ich. Zum zweiten formulierte ich, noch immer mit der ihm bekannten Frau verheiratet zu sein. Ob ich denn Urlaub bekäme? Von Geschäftspartnern im zur Zeit umkämpften Lugansk würden wichtige Papiere benötigt, welche beide Seiten der Post nicht anvertrauen wollten. Ob ich als Privatkurier mit den genannten Dokumenten rasch nach Berlin kommen könne. 
Die Unterlagen übergab man mir am Dienstag in Kiew. Weil kein Flugticket mehr zu bekommen war, setzte ich mich am Mittwochmorgen in einen Überlandbus und fuhr in jenem fast volle 24 Stunden nach Berlin. 

In besagten Bus stieg unterwegs eine sehr übergewichtige  Ukrainerin zu. Sie kontrollierte als erstes ihren Sitz am Gang, zog ihn seitlich heraus, kippte ihn in Schlaflage. Er kam danach durch sie getastet auch wieder in Ausgangsstellung zurück. Als sie alles nach dem Setzen erneut probierte, funktionierte die Rückkehr nicht. Sie protestierte lauthals gegen das defekte Sitzmöbel. Ich machte sie, schräg hinter ihr sitzend darauf aufmerksam, dass ihre Rundungen der Technik hinderlich seien. Nach einem bösen Blick an mich rutschte sie vor - der Sessel kam wie gewünscht hinterher. Die extrem selbstbewusste Dame hat uns allen um sie herum noch mit anderen Gags "Freude" gemacht. 
Bedauerlich, wie andere Personen mit ihrer eigenen auch die Stimmung ihrer Umwelt regelrecht vermiesen können. Leider ist solche Umweltverschmutzung nur durch Missachtung strafbar...

In meinem Alter noch Vertrauen zu genießen und somit gebraucht zu werden ist eine der großen Freuden, welche das Leben noch lebenswerter machen. Sie wird auch durch das Geschilderte nicht nachhaltig getrübt.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger




 

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