Vorgestern Abend waren Frau und Stiefsohn von längerem Ausflug per Auto zurückgekommen. Sie hatten auf dem Rückweg Freunde im "Ort mit städtischem Äußeren" besucht. Das würde ich ins Deutsche mit "kleinstädtische Siedlung" übersetzen. Dort waren sie mit ukrainischer Gastfreundschaft nicht nur bewirtet, sondern auch beschenkt worden. Kartoffeln, Möhren, Rote Beete, Weißkohl und jede Menge Eingewecktes nach Hausmacherart. Darunter auch eingefrorenen jungen Mais. Als sie den daheim auftauten, fielen einige Körner zu Boden. Hund Kai verputzte sie im Handumdrehen. Das war Grund, ihm eine kleine Schüssel voll zu spendieren. Er fraß auch die. Das wunderte uns ein wenig.
Beim gestrigen Morgenspaziergang lief er, weil von der Leine frei, gemächlich, eher gelangweilt auf eine hübsche Husky-Hündin zu. Etwa zehn Meter vor ihr bekam er Witterung davon, dass sie noch läufig war - was sein Tempo extrem beschleunigte. Bald balgte er sich mit ihr. Der junge Mann, welcher sie angeleint hielt, bat mich darum beide zu trennen. Sie wäre schon von einem Rüden derselben Rasse gedeckt. Meinem Kai war mein gewaltsamer Griff nach seinem Halsband absolut nicht recht. Ich musste ihn regelrecht wegzerren, wobei er furchterregend knurrte.
Kurz vor dem Wohnhaus nötigte mich eine leicht verschneite "Schlitterbahn" zu einer Pirouette, wie sie beim Eiskunstlauf gezeigt wird und mich vor dem Sturz bewahrte. Allerdings verdrehte ich mir mein invalides Knie sehr schmerzhaft.
Unsere Verkäuferin-Freundin hatte die Situation beobachtet und mich danach gelobt. Ich sagte ihr, dass ich in dem Zusammenhang die wunderbaren Worte von Dostojewski vergessen könne: "Wehe dem, der ein Kind kränkt!" Denn die Schulkinder haben doch die Eisbahn angelegt. Sie entwaffnete mich: "Sie haben aber Augen, um die Stelle sehen und umgehen zu können - oder?" Wer Recht haben will, findet Argumente: "Wie denn abends, im Dunkeln?" "Da beweisen sie, dass sie noch nicht sklerotisch sind und die Stelle im Hirn gespeichert haben." So viel Vertrauen ehrt doch - oder?
Als Stiefsohn Pavel nach erfolgloser Unterwasserjagd in dieser Nacht heimkam, hatte er einen einzigen Flusskrebs dabei. Den warf er dem Kai vor. Es krachte und knirschte ein paar Mal - dann war der Krebs gefressen. Der zufriedene Hund trollte sich auf seinen Platz unter dem Wohnzimmertisch.
Heute zum Morgenspaziergang überraschte Kai mich. Er wartete weder auf Kommando noch Handzeichen, sondern überquerte die Fahrbahn der indem Augenblick etwa 150 m entfernten Querstraße selbständig und rennend, so dass ich um sein Leben fürchtete. Denn auf ihr war gerade der kreuzende Verkehr freigegeben worden. Als ich ihn wieder sah, war er an der Stelle, an welcher gestern die noch etwas hitzige Husky-Hündin mit ihm gespielt hatte. Ich stellte mich hinter einen Busch und schaute über den hinaus, was mein Rüde tun würde. Nach einigen "Schnupperrunden" etwa 250 m von mir entfernt schaute er in die Richtung, aus welcher er mich erwartete. Fehlanzeige. Sofort setzte er sich in Trab und lief den Weg zurück. Er hatte nach menschlichem Verständnis offensichtlich verpasst zu bemerken, wohin ich abgebogen war. Also zurück zum Ausgangspunkt. Als er mich plötzlich sah, bremste er merklich, um dann schuldbewusst mit gesenktem Kopf zunehmend langsamer zu mir heranzukommen. Bekam einen leichten Stupser hinter die Ohren und die Aufforderung, erneut umzukehren. Ich hatte meine Portion "Gehweg" noch nicht unter die Füße bekommen.
Seinen Weg versperrte ihm auf der Querstraße ein Marschrouten-Kleinbus der Linie 25. Dessen gutwilliger Fahrer hatte seine Fahrtstrecke um rund 400 m verlängert und auf der Querverbindung der Allee gehalten, um eine schwer bepackte ältere Frau aussteigen zu lassen. Sie war so etwa 200 m näher zu ihrem Ziel gebracht worden.
Als der Kleinbus weiter fuhr, sahen Kai und ich gleichzeitig, wie die angeleinte Husky-Hündin von gestern die Allee zum Mittelstreifen hin überquerte. Der Rüde spurtete wie ein Weltmeister zu ihr hin. Sie war aber inzwischen so "abgekühlt", dass sie zwar mit dem Verehrer tanzte (beide Hunde hielten sich im Stand so, dass sie sich mit den Vorderpfoten umarmten), ließ ihn jedoch nicht hinter sich geraten. Der junge Mann scheuchte Kai mit einer Geste, ich pfiff gleichzeitig. Als der Hund zu mir sah, zeigte ich ihm meine "Zu mir!"-Geste. Er befolgte die sofort. Also doch wieder gehorsam ohne Einschränkungen. Und dazu ausreichend intelligent. Für Herrchen ein positiver Eindruck.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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