Wer den
vorhergehenden Post („Positive Verspätung“) gelesen hat, könnte bei ungenauem
Hinsehen und vor allem bei diesem geschuldeten wenig selbstkritischen
Hineindenken in die Situation zur Auffassung kommen, dass das „Vergessen“ eines
medizinisch wesentlichen Faktes (des Herzschrittmachers) von mir als eine große
Sünde geschildert werden sollte.
Die Tatsache habe ich nicht beschönigt. Auch
dass meine Voraussicht mit dem Prüfprotokoll ein wenig dazu beitrug, die Folgen
gering zu halten, wurde erwähnt. Wer sich selbst das Recht auf – bei ihm natürlich
seltene – Fehler zugesteht, muss dieses auch anderen zusprechen. Folglich ist
„der menschliche Faktor“ vorsichtshalber bei Planungen immer einzubeziehen.
Das
zeigte mir auch die Frage von Dr. Meyer bei der Visite am Tag vor der OP.
„Haben sie schon eine Markierung auf dem zu operierenden Knie?“ Als ich
verneinte, ließ er sich einen entsprechenden Marker geben und „kreuzte“ das
linke Knie eigenhändig rot an. In Zeiten der Informationsüberflutung eine
Variante, unbeabsichtigte Fehler Dritter auf den Prozess nach Möglichkeit
auszuschließen.
Was es mit oben genanntem „menschlichem Faktor“ alles für
Varianten gibt, hat mich die anschließende ambulante Rehabilitation gelehrt. Darüber etwas im
Weiteren. Vorher ein Link für jene, welche sich der sorgsamen Obhut und
ärztlichen Kunst von Dr. Meyer anvertrauen wollen:
Der Übergang von der stationären Behandlung zur
ambulanten Rehabilitation vollzog sich dank einiger angenehmer Menschen recht
unkompliziert. Drei Wochen lang hatte ich das Vergnügen, morgens und
nachmittags neben einem extrem kommunikablen Kraftfahrer Teile Berlins neu
kennenzulernen.
Svend C. erläuterte sowohl seinen etwas eigenartig
geschriebenen Vornamen als auch den ungewöhnlichen Familiennamen mit dem ihm
eigenen Humor. Sein Umgang mit den jeweiligen Passagieren war immer
zuvorkommend, freundschaftlich-burschikos. Er kann jedoch sowohl feinfühlig als
auch befehlend grob auftreten.
Sein Auftrag: alle Rollstuhlfahrer und ähnlich
Behinderte haben Priorität bei der Beförderung. Da gibt es Situationen, wo
einzelne mit ihm schmollen, weil sie früher daheim zu sein hofften.
Wir haben
einander recht gut kennengelernt und ich erneut begriffen, dass jedes
Menschenschicksal etwas ganz eigenes ist. Denn er hat mir viel aus seinem erstaunlichen
beruflichen Werdegang erzählt.
Das hat sich mit anderen aber auch in der
Reha-Klinik fortgesetzt. Denn dort trafen sehr unterschiedliche Rehabilitanten
aufeinander. Mit ihren eigenen Schicksalen, unterschiedlichen Empfindlichkeiten
für Schmerzen und Unannehmlichkeiten, mehr oder weniger beweglich, sogar aus
unterschiedlichen Kulturkreisen.
An den folgenden Ereignissen stelle ich dar, wie manch „menschlicher
Faktor“ wenig schuldhaft zustande kommt und was er nach sich ziehen kann.
Wir fuhren nach Plan (Bereitschaft
der Patienten zur Abholung daheim ab 06.30 Uhr) durch Berlin-Mitte, als das
Telefon mit Freisprechanlage von Svend klingelte. Ein Mann meldete sich. Er sei
erkrankt und möchte nicht abgeholt werden. Allerdings habe er in der Frühe die
Reha-Klinik noch nicht erreicht. Svend bat ihn, das unbedingt nachzuholen und
überlegte sofort sehr konzentriert, wie die begonnene Fahrtroute zu ändern sei,
um optimal zu fahren. Dadurch verschoben sich zeitliche Bedingungen für einige
wenige. Nur waren die Reaktionen auf diese verständliche Kleinigkeit je nach
Temperament sehr unterschiedliche.
Ein persönliches Beispiel folgt. Am zweiten
Tag der Reha war die sogenannte Lymphdrainage bei mir vorgesehen. Sie wäre
notwendig gewesen, weil der Abfluss von Flüssigkeit aus dem extrem
geschwollenen Bein offensichtlich gestört war. Der Kollege, welcher sie
durchführen sollte, war erkrankt.
Ich bekam bei Ankunft in der Klinik einen
ausgedruckten berichtigten Plan ausgehändigt. Man hatte keinen Ersatzmann bzw.
keine –frau. Also wurde die Prozedur gestrichen, durch eine zeitlich passende andere ersetzt. Für mich verzögerte
sich die Rehabilitation deshalb sichtlich – deutlich zu sehen nach dem Erfolg
der beiden viel später durchgeführten Lymphdrainagen. Für diese Lösung hatte
ich trotz unangenehmer Begleiterscheinungen volles Verständnis. Denn das Ziel
der Rehabilitation war nach drei Wochen doch erreicht – meine bestmögliche Mobilisierung.
Sie ging mit meiner positiven Grundeinstellung auch gegenüber den nicht immer
schmerzfreien Übungen sehr befriedigend vonstatten. Gesundung ist also auch
eine Einstellungsfrage. Selbst zum „menschlichen Faktor“ – dem Fehler anderer.
Bleiben
Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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