Gestern war Nataschas Namenstag. Wie immer – ich wusste
das nicht. Wurde aber durch meine Anglerfreunde darauf hingewiesen. Um das
vorweg zu nehmen: das sind keine Säufer. Aber als ich bei leichtem Morgennebel
über dem Fluss mit raschem Schritt auf der Brücke den 82-jährigen einholte, passte ich mich seinem
Tempo an. Schneller zu gehen wäre einfach nur unhöflich gewesen.
Wir kamen an
den Platz, auf welchem Vitalij schon saß und auch schon Fisch gefangen hatte. Boris
Petrowitsch an meiner Seite lächelte
verschmitzt und lud mich ein, auf Nataschas Gesundheit einen guten
Selbstgebrannten mit ihnen zu trinken. Ich meinte, dass ich zwar mit Natascha
verheiratet bin, aber keinen Grund dafür sehe, am frühem Morgen einen zu heben.
Ich hätte ja auch keinen Selbstgebrannten dabei, natürlich auch keine „Bierhappen“
(wie ich die „sakuski“ übersetze).
Beide grinsten und informierten mich, dass
heute Namenstag von Natascha wäre – einer hätte eine Tochter mit diesem
Vornamen, der andere eine geliebte Enkelin. Ich wäre bei ihnen der Dritte in
der Runde. Sie hätten schon alles vorbereitet – Petrowitsch auch denselbst von
ihm gebrannten Wodka mitgebracht. Dazu soll man wissen, dass sich gewöhnlich
die hiesigen Säufer „zu dritt“ zusammenfinden. Meine diesbezügliche Bemerkung
wurde abgeblockt – wir hätten einen Grund. Also bekam ich meinen Becher mit
etwa 80 ml Wodka, dazu ein Stück Brot mit hausgemachter Blutwurst darauf und
eine geteilte Tomate. Wir tranken auf unsere lieben Nataschas. Dann setzten wir
mit Hund den Spaziergang fort.
Der Nebel stieg langsam auf – die sich schon
herbstlich einfärbende Landschaft kam immer mehr zum Vorschein, glänzte beginnend
bunt in der Herbstsonne. Plötzlich fühlte ich ein intensives Brennen in der
linken Hand. Unter der zusammengerollten Hundeleine hatte sich eine Wespe
eingenistet und mich gestochen. Den Stachel, den sie in der Haut zurück
gelassen hatte, konnte ich herausziehen. Das Insekt fiel zu Boden. Wir gingen
weiter – die Einstichstelle schmerzte immer intensiver.
Daheim wünschte ich
meiner Guten etwas zu ihrem Feiertag. Sie konterte: „Wo hast du Alkoholiker am
frühen Morgen schon getrunken?“ Nach Bericht mit den besten Wünschen der „Zechkumpane“
vergab sie mir die Entgleisung. Fragte aber sofort: „Was hast du mir noch
mitgebracht?“ Ich verstand nicht. „Was hast du da in der Hand?“ Meine linke
Hand war außen stark angeschwollen und machte aus der Entfernung den Eindruck,
als ob in ihr etwas versteckt war. Ich bemerkte die Entwicklung an der Stelle
erst nach dieser Frage und erzählte vom Wespenstich.
Ungeachtet dieser „Verwundung“,
welche mir gestern das etwas raschere Schreiben am PC unmöglich machte, wurde
ich auf den Basar geschickt. Auf dem Weg nach dort saßen „Einzelhändler“ wie
üblich am Überweg auf der Allee. Eine von den vorwiegend Frauen hatte einen
Korb voll wunderbar fester Rotkappen (Pilze) vor sich, verkaufte das Kilogramm
für 3,50 € (35 Hrywna). Ich nahm vier besonders schöne Pilze und schmorte sie
anlässlich des Namenstages. Mit Buchweizengrütze dazu – ein echtes Festmahl.
Am
Nachmittag dann noch der Versuch aus London, uns besonders reich machen zu
wollen. Die angeblich seriöse Anwaltskanzlei Andrews&Kurth mit der etwas seltsamen Website www.andrewskurth.com
versuchte mich davon zu überzeugen, dass mir ein ferner Verwandter, der mit Frau
und Sohn bei einem Autounfall leider ums Leben gekommen sei, eine beträchtliche
Summe hinterlassen hätte. Weil ich schon erstaunt war, das Angebot auf Russisch
zu bekommen, sah ich besonders genau hin. Das Geld würde in einem Medienkonzern
in Ghana stecken. Den Leuten habe ich meine Verbindung gesperrt.
Seien auch Sie
vorsichtig.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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