Kleine Münzen...

           Es gibt zum Thema mehrere sehr treffende Bemerkungen. Mir gefällt besonders, was Jean Anouilh zum täglichen Schatzsuchen formulierte: „Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, wer sie aufzuheben weiß, hat ein Vermögen.“ 
          Nun lassen Sie sich hier ja kaum mit Kleingeld abspeisen. Deshalb ein wenig aus meiner Sammlung der letzten Tage. Am Sonntagmorgen war es erstmals in diesem Herbst richtig kalt. Aus dem Fenster war zu sehen, dass auf den Gräsern Reif lag. Also zog ich mir über das dicke Hemd einen Pullover und stülpte eine dünne Mütze über die dünnen Haare. Vor der Holzbrücke ein Lehrstück: ein älterer Mann fiel auf die Nase. Er hatte die Glätte der leicht bereiften Stufen falsch eingeschätzt. Musste sie also mit seinen Händen befühlen… Ich nahm deshalb sofort das Geländer als Stütze und kam wohlbehalten oben an. Man lernt am besten aus den Fehlern anderer. 
           Einer der Angler, mir bekannt, begrüßte mich mit Händedruck und der Bemerkung: „Na, hast du dich endlich etwas vernünftiger angezogen?“ Ich habe mit ihm darüber nicht diskutiert. Wer sich abhärtet, findet gewöhnlich wenig Verbündete. Außerdem ist das mit den Bedingungen beim fast unbeweglichen Angler nicht zu vergleichen. Bei + 12 Grad Celsius der Vortage reicht mir ein Flanellhemd völlig aus, da ich bei gewohnt raschen Gehen sonst zu stark schwitze. Dass bei ersten Minusgraden eine „Haut“ mehr angezogen wird, ist normal. 
           Nach einiger Zeit, wir waren schon im Wald, hörte ich einen Specht hämmern – der Lautstärke nach in der Nähe über uns. Mit Ohren und Augen suchte und fand ich den eifrigen Buntspecht. Hund Kai wunderte sich sichtlich, weshalb wir fast auf der Stelle herum traten. Aber so bekam ich die zweite kleine Münze des Tages – meine Befriedigung, die Laute der Natur immer noch zu verstehen. 
       Letztmalig in diesem Jahr sah ich auch den bunten Wald in seiner herbstlichen Farbenvielfalt. Die Mischungen von gelb, rot und braun mit dem dunklen Grün selten herausragender, noch belaubter alter Weiden oder noch dunklerer Nadelbäume. 
         Der Montag begann mit zwei Erlebnissen. Ein mir unbekannter Angler hob einen kleinen Zander aus dem Wasser auf die Brücke und brachte den stolz zu seinem Auto – ohne den zu töten oder, wie es bei deutschen Anglern heißt – ohne ihn zu versorgen (bedeutet ebendies). Der Fisch war nach meinem Verständnis untermaßig. Die Fischereiaufsicht in unserer Heimat würde dafür hart abstrafen. Außerdem ist er sicher elendiglich verreckt – so, wie auf dem Markt die „Lebendfische“ in kleinen Wannen oder Bottichen. 
      Als wir am anderen Brückenende waren, erscholl hinter uns Lärm. Ein etwa gleichaltriger, bekannter  Angler hatte einen größeren Fisch gehakt und versuchte, diesen erst einmal über Wasser und danach auf das Trockene zu bekommen. Ich beobachtete die Szene. Weil der Haken zu klein oder zu stumpf war, konnte sich der etwa 2 kg schwere Zander jedoch befreien. 
            Die Oberfläche des Flusses war wie mit einem bunten Teppich bedeckt. Der Frost vom Vortag und der Wind in der Nacht hatten gemeinsam dafür gesorgt, dass plötzlich viele Bäume entblättert worden waren. An Stelle des bunten Waldes vom Vortag war dieser nun vorwiegend astschwarz mit einzelnen Farbtupfern von besonders widerstandsfähigen Laubbäumen. 
            Im Wald ist es stiller geworden – viele Singvögel sind fortgeflogen. Freude machten Kohlmeisen und Kleiber, aber auch die durch die nackten Büsche leichter zu sehenden Eisvögel. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger   





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