Es ist schon eine Weile her, dass wir gezwungen waren, aus Belaja
Zerkov nach Berlin zu fahren – über Kiew. Wir nahmen von dort einen guten
Bekannten mit. Den hatte ich vor rund 7 Jahren im Schnellzug Kiew-Berlin kennen
gelernt. Volodja – die Verniedlichungs- oder auch Koseform von Vladimir – hatte
erst vor Kurzem eine Prostataoperation hinter sich gebracht und war deshalb ein
wenig gehandicapt.
Wir haben erstmals seit langer Zeit die sogenannte „Warschawjanka“
auf voller Länge befahren. Gemeint ist der ukrainische Teil der Straße
Kiew-Warschau, der in den letzten zwei Jahren gründlich repariert wurde. In sehr
guter Qualität. Deshalb waren die knapp 600 km sehr rasch durchfahren. Im
Abschnitt vor der Grenzübergangszone eine Warteschlange, wie sie an
innereuropäischen Landesgrenzen seit langem unbekannt ist.
Um noch bei
Tageslicht nach Polen zu kommen, ging ich mit meinem Herzschrittmacherpass zum
Sergeanten, welcher die Reihenfolge der Durchfahrt regelte. Er ließ uns von
hinten vor- und sofort durchfahren. Danke von hier zusätzlich nachträglich. Auf
polnischer Seite keine Chance, die Variante zu wiederholen – weil die Ordnung
durch sehr deutliche Abgrenzung der zulässigen Bereiche markiert war. Aber die
Vielfahrer aus der Westukraine (so genannter „kleiner Grenzverkehr“ – gab es
auch einmal in Westeuropa) mit ihren offiziell erlaubten und auch
Schmuggelwaren hielten einander dennoch Lücken frei, in welche die Bekannten
andere überholend einfuhren. Ärgerlich – aber nicht vermeidbar.
Auf Volodjas
Bitte hin entschieden wir uns, bis Berlin durchzufahren. Die Route, welche wir
kannten, um rasch auf die Autobahn A-2 zu kommen, kannte er noch nicht, fuhr
gewöhnlich mit dem Auto über Warschau. Jedoch um die Stadt herum und in ihr häufig sehr zäher Verkehr. Wir konnten ihn eines Besseren überzeugen.
Als wir
um 03.30 Uhr etwa bei seiner Wohnung in Berlin ankamen, waren alle
rechtschaffen müde. Vor allem Natascha, welche die rund 1.500 km hinter dem
Steuer gesessen hatte.
Daheim eine Überraschung. Gäste aus Moskau, die in einem
anderen Zimmer schliefen, weil sie um 05,30 Uhr aufstehen und zu Flughafen
Tegel mussten. Also drängten sich – zum Teil auf Luftmatratzen – 6 Erwachsene in
einem kleinen Zimmer zum Schlafen zusammen. Ich wunderte mich nicht – Slawen haben
so etwas drauf! Wir Deutschen (mich ausgeschlossen) kommen nicht mehr auf
solche verrückten Ideen…
Meine Besorgungen hatte ich rasch erledigen können.
Der bürokratischer gewordene erfolgreiche Umzug, die erforderlichen Arztbesuche
und ähnliches wurden von einem eingetrübt: von Vandalismus mit
nationalistischem Einschlag. Unbekannt hatte bei unserem vor einem Kaufhaus in
Hellersdorf geparkten Auto mit ukrainischem Kennzeichen die Frontscheibe
beschädigt. Einfach entweder mit einem Stein oder einem Knüppel auf sie gedroschen.
Sie blieb zwar ganz – aber eine dem deutschen TÜV oder einer Polizeistreife
wäre der Schaden aufgefallen. Folglich entschieden wir uns, das wenig
gastfreundliche Berlin am nächsten Morgen zu verlassen.
Bis daheim sind wir
niemanden mit der defekten Scheibe aufgefallen. Der Grenzübergang Polen-Ukraine war viel „härter“
als bei der Hinfahrt. Die Warteschlange länger und der polnische Regulierer trotz
vorgezeigtem Schrittmacher-Dokument nicht gleich zugänglich. Weil es aber gegen
23 Uhr war und ich ihm klar machen konnte, dass ich sonst von ihm erwarte, dass
mich die „Schnelle medizinische Hilfe“ hier versorgen müsse, ließ ihn uns
durchwinken. Etwa zwei Stunden Wartezeit gespart.
Die Frontscheibe wird hier zu
etwa einem Viertel des in Berlin angebotenen guten Preises gewechselt werden. Was
wir aber beim TÜV in Berlin für 5 Euro gleich noch mitgenommen haben: die grüne
Plakette für die neue Scheibe, welche uns Einfahrt in alle Stadtzentren in
Deutschland erlaubt.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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