Im traurigen Monat November...



In Kapitel 1 des „Ein Wintermärchen“ von Heinrich Heine beginnt sein Gedicht ja mit diesen Worten. Es gibt keinen Grund, mit dem Dichter zu streiten. Man kann bei dem mit leichtem Schneetreiben untermischten sehr kühlen Wetter nicht gerade fröhlich spazieren gehen. Dennoch gibt es Erlebnisse, welche diesen Tag aufhellen. 
Eines gab es schon einige Tage zuvor. Ein Webinar von Dirk-Michael Lambert. Unter seinen vielen sehr bemerkenswerten Formulierungen gab es die mich berührendste: „Träumen sie wieder!“ Mit seiner recht eigenartigen Aufforderung, schon am Morgen konkret zu träumen: „Ich mache dieses…“ oder „Ich tue jenes…“ als eigenen Ansatz, den Wachtraum zu realisieren. Selbst wenn man dabei lächeln oder gar lachen muss. Das erinnert mich ein wenig an Erasmus von Rotterdam, welcher vor etwa 500 Jahren schon formulierte: „Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.“
Denn ich habe in den vergangenen Tagen, auch heute Morgen, sehr hartnäckig im Gehen „geträumt“. Ganz erstaunlich – ich habe dabei auch gelächelt. Nur ist der Tipp wert, dass man ihn beachtet. Weil ich beispielsweise daheim in der gemütlichen Wohnung sofort daran ging, Traum zwei zu verwirklichen. Der konnte für den Folgetag durch einen nachrückenden ersetzt werden. Erstaunlich, was dieses „aktive Vorwärtsdenken“ für Energie freisetzt.

Dann bekam ich von meinem Freund Valentin zwei e-mail zugeschickt. In dem ersten die Aphorismen eines russischen Generalleutnants des KGB. Der Mann war zweieinhalb Jahre Chef der Auslandsaufklärung des KGB der UdSSR. Leonid Scherbaschin hat sich im März 2012 erschossen. Seine typisch slawischen Aphorismen versuche ich, sinnvoll passend ins Deutsche zu übertragen. Hier einer von ihnen: „Je dümmer  die Vorgesetzten, umso weniger zweifeln sie an ihrer Weisheit.“ Bin ich zu unterschreiben bereit.

Im zweiten e-mail die kurzen Gedichte einer Rentnerin aus Minsk – Inna Jakovlevna Bronstein – unter der Überschrift „Das Alter – welche Wonne“. Ein Beispiel ihres Humors:

Welche Wonne! Im Alter nun hab ich erfahren,
dass Schönheit nicht verging mit meinen Jahren.
Du kannst nicht verlieren, was du nie besessen.
Den Hübschen geht’s schlechter – sind ihre Interessen!
Für sie gibt`s Fitnes, Diät, dazu Korsett unterm Kleid –
seid tapfer, ihr Mädchen! Ihr tut mir echt leid.

Werde diese viel schwierigere Übertragung versuchen. Vor allem des Lächelns wegen. 
Denn gestern kam mir die ansehnliche Frau wieder entgegen, welche vor einigen Tagen vorgeschlagen hatte, wegen unserer recht häufigen Begegnungen uns gegenseitig zu begrüßen. Wir taten das nun erstmals im gegenseitigen Einvernehmen. 
Ihre Bemerkung, dass mich wohl der Hund zum Spaziergang nötige, wies ich zurück. Ich würde auch alleine gehen, wenn das Tier mit meiner Frau irgendwo bei Freunden sei. Denn die Bewegung ist Teil meines gesunden Verhaltens, um noch länger zu leben. 
Sie fragte nach meiner Herkunft – mein Akzent lässt viele auf einen baltischen Bürger schließen. War erstaunt, dass ich Deutscher bin. Aus ihrer Art zu reden konnte ich entnehmen, dass sie vor ihrer Berentung etwas anderes getan haben musste. Sie sei Modellschneidererin gewesen. Mit heutiger Lesart Designerin. Arbeite zum Aufbessern ihrer Rente nun im kleinen Heizwerk, das unser Wohngebiet mit Wärme versorgt. Da bestätigte ich ihr lächelnd, dass sie eine wichtige Aufgabe erfülle. 
Wir trennten uns in gutem Einvernehmen. Sie sagte vor dem Abschied: „An ihrem gewinnenden Lächeln habe ich gesehen, dass sie ein interessanter Mensch sind. Wie es bei uns heißt: Das Lächeln ist ein Fenster, durch das man sieht, ob das Herz zu Hause ist.“
Die hier oben beschriebenen Ereignisse haben mir den Übergang zum Spätherbst wirklich verschönert.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger
      

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