Hirschkäfer ...



Er ist der Schlusspunkt zu den Ereignissen der letzten drei Tage, die in meiner Glückschatulle landeten. 
Als ich am Mittwoch beim Morgenspaziergang unter einer Parkbank viele Federn einer dunklen Taube liegen sah, konnte ich mir die alltägliche Tragödie vorstellen. Allerdings ohne zu wissen, wer den Vogel umgebracht hatte. Etwa fünfzig  Meter weiter fand ich, ebenfalls unter einer Parkbank, die hellen Federn einer weiteren Taube. Nach circa 150 m gab es die Lösung des Rätsels. Als wir uns der dritten Parkbank näherten, schoss unter ihr eine grau getigerte Katze hervor. Sie versuchte, eine der vier Tauben zu greifen, welche Krümel aufpickten, die Spaziergänger dort verloren oder bewusst ausgestreut hatten. Die Tauben starteten schnell genug, um nicht in die Katzenkrallen zu geraten. Wahrscheinlich waren die anderen Tauben, deren Überreste ich fand, in der Morgen- oder Abenddämmerung in den Katzenfängen gelandet. Als die Katze nicht so leicht zu bemerken war. 
Gestern früh sah ich eine ganz junge Katze, die sich etwa fünfzehn Meter von uns entfernt mit etwas Lebendigem beschäftigte. Deutlich für eine Maus zu klein, zu groß für einen Maikäfer. Ich glaubte, auf die Entfernung einen Hirschkäfer zu erkennen. Allerdings griff die Kleine sich den und rannte davon – ich konnte nicht klären, ob ich recht gesehen hatte. 
Anschließend wurde ich auf den Basar geschickt. Auf dem Rückweg begrüßten mich zwei Freundinnen aus unserer guten Bekanntschaft, welche mit Erdbeeren und Gemüse auf der Allee handelten. Mir wurde eine große Handvoll Beeren und ein Bund frischer Zwiebeln regelrecht aufgedrängt. Mit dem Auftrag, dass Natascha am Nachmittag sich einen Korb voll Erdbeeren aus dem Dorf holen solle. Was ich nicht wusste – eine der Beiden hatte sich mit meiner Frau verabredet. Weil diese wissen wollte, ob das bei der Verabredung zu einem Einkauf bleiben würde, rief sie an und wurde informiert, dass ich auf dem Heimweg sei. 
Da traf ich außerhalb ihres Sichtfeldes  einen jungen Mann, den ich als Besitzer von Alabai-Hunden kennengelernt hatte. Weil wir einander selten sahen, erkundigte er sich nach meinem Befinden. Nicht ohne zu formulieren, dass mit „reifem Alter“ die Weisheit käme und die Leidenschaften nicht mehr so drängend wären. Hinter seinem Rücken kam wie auf Bestellung eine junge und besonders hübsche Ukrainerin auf uns zu. Ich konnte es mir nicht versagen, sie trotz unserer Unterhaltung mit bewundernden Blicken aufmerksam zu begleiten. Alexander lachte verhalten und meinte: „Nun bleibt ihnen nur zu beten – Herr, hast du mir das Können genommen, befreie mich auch vom Wünschen.“ Während wir uns verabschiedeten, klingelte mein Handy. Meine Frau fragte besorgt an, ob es mir nicht wieder schlecht gehe. Weil ich doch immer noch nicht zu Hause sei – obwohl auf dem Heimweg, wie sie aus sicherer Quelle wisse. Da konnte ich sie beruhigen. 
Meine gute Laune vom gestrigen Tag wurde noch besser, als ich während meiner Mittagspause kurz in eine neue Sendung des Studios „95-stes Quartal“ hineinklickte. Zu Gast waren da die hoch intelligente und verteufelt hübsche Violin-Virtuosin Inessa Danilowa (Künstlername Assija Achat) als auch der vielseitige Potap mit seiner beeindruckenden Frau Nastja. Zwei schöne Frauen, welche den Ruf der ukrainischen Schönheiten markant unterstützten,  bewegten sich nicht nur über den Bildschirm, sondern füllten auch den Raum mit angenehmen Tönen – ein reiner Genuss. Habe also mit der Auswahl der Sendung voll ins Schwarze getroffen. 

Heute nun krabbelte auf unserer Spazier-Allee ein eingestaubter, eher grauer denn brauner Hirschkäfer quer zur Marschrichtung. Er hätte von den Reifen vieler Fahrräder hier rasch ein Ende gefunden. So wie einst vor rund 250 Jahren Georg Christoph Lichtenberg formulierte: „Ein dummer Junge kann einen Käfer zertreten, welchen einhundert Professoren nicht wieder zum Leben erwecken können.“ Also beschloss ich, ihn auf einen Baumast zu setzen. Jedoch erstaunte es mich schon, dass dieses Insekt eine Abwehrbewegung machte. Als meine Hand etwa 10 cm über seinem Kopf war, stoppte der große Käfer seinen Marsch und hob seine „Hörner“ (vergrößerte Kiefer) dem instinktiv erfühlten Angreifer entgegen. Den Burschen ganz vorsichtig um die Körpermitte erfassend, hob ich ihn auf einen dicken Ast. 
Meine Erlebnisse fanden einen interessanten Kommentar. Daheim war wie immer – meist gegen meinen Wunsch – ein Fernseher an. Der sympathische und hoch talentierte Vielkönner Maxim Galkin zu Gast in einer niveauvollen ukrainischen Morgensendung. Dass er, Sohn eines hochrangigen sowjetischen Militärs und einer Geophysikerin, einmal ein weltbekannter Parodist, Sänger und Tänzer werden würde, hätte nie jemand vorausgesehen. Gefragt, was er nach einem denkbaren Abschied von der Bühne tun wolle, sagte er in etwa: „Zu meinem Beruf bin ich gekommen, weil ich mich immer für sehr vieles echt interessiert habe. Diese Eigenart habe ich mir bewahrt. Das macht mich sicher, dass ich in Zukunft immer etwas finde, was meinem Leben, diesem Geschenk, einen für mich wichtigen Sinn gibt.“ 
Recht hat dieser junge Mann. Urteilt wie Johann Wolfgang von Goethe, welcher seinerseits sagte: „Um zu begreifen, dass der Himmel überall blau ist, braucht man nicht um die Welt zu reisen.“ 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





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