Wir hatten Nataschas Sohn mit auf die Reise genommen. Einerseits als
zweiten Lenker am Steuerrad, zum anderen
als vorgezogenes Geburstagsgeschenk. Denn das „Kind“ hat am hier noch
begangenen „Internationalen Kindertag“, dem 1. Juni, Geburtstag.
Dieser „I. K.“
wurde vom Weltkinderhilfswerk der Vereinten Nationen empfohlen. Der Termin für ihn, der 1.
Juni, ist auf die geschichtlichen Entwicklungen in Deutschland zurückzuführen.
Denn die DDR hatte dieses Datum schon 1950 „angeregt“ – das stand Pate für das
damals noch existierende „sozialistische System“, vor allem für den „Ostblock“.
Aus der selbigen UNO-Organisation stammte der Vorschlag des Weltkindertages,
welcher seit 1954 existiert und auf den 20. September datiert wurde.
Unsere Hinreise verlief recht unspektakulär.
An der ukrainisch-polnischen Grenze der typische Ärger, weil die in Grenznähe
wohnenden Bürger beider Länder, welche die Regelungen des „kleinen
Grenzverkehrs“ für ein gewisses Zubrot nutzen, sich untereinander geschickt
Plätze in der Wagenschlange freihalten bzw. freimachen. Die Wartezeiten aller
anderen verlängern sich dadurch. Wir kamen mit zwei Stunden recht glimpflich
davon.
Als wir in einem kleinen Café bei Lublin die uns wohlschmeckende Flakisuppe bestellten, hatte Pascha zuvor
eine aktuelle Karte Polens gekauft und versuchte vor Servieren des Essens eine
optimalere Streckenführung zu finden. Das Blatt lag offen, als die Suppe
gebracht wurde. Wir aßen sie mit gutem Appetit.
Als danach ein Gast an unserem
Tisch vorbeikam, wollte meine Frau diesen zu der Verkehrsverbindung fragen – getreu dem ukrainischen Motto: „Die
Zunge führt dich bis nach Kiew.“
Allerdings hatte der ältere Herr schon etwas mehr Bier im Leib als ihm
zuträglich. Ein einige Tische weiter sitzender junger Pole ließ sein Essen
stehen, kam herzu und erklärte uns knapp und gut den besten Weg nach Kattowice,
später nach Wroclaw. Wir bedankten uns herzlich.
Spät nachts hatte Natascha
noch ihren eigenen Erfolg, als sie in einem recht guten polnischen Hotel
geschickt bei der Rezeption den Preis des Doppelzimmers um ein Viertel drücken konnte.
In das bayrische Dorf gelangten wir am Folgetag ohne weitere besondere
Ereignisse. Das zukünftige Geburtstagskind freute sich herzlich.
Am nächsten Tag
holten meine Ukrainer Mehl und Hack- sowie Schabefleisch, um einige hundert
Pelmeni – mit Würzfleisch gefüllte Teigtaschen – zuzubereiten. Denn am dritten
Tag unserer Anwesenheit sollte eine traditionelle Zeremonie stattfinden. Wie in
allen Dörfern der Umgebung war vor einem Jahr kurz vor der Hochzeit im Hof des
Anwesens, in welchem der damalige Bräutigam wohnte, von den Mitgliedern des dortigen
Junggesellenvereins ein „Hochzeitsbaum“ aufgestellt worden. Das ist ein von der
Borke befreiter glatter gerader Nadelbaum. Im oberen Drittel wird ein Kranz
frei um den Stamm schwingend angebunden, an der „Spitze“ ein grüner kleiner Fichtenbaum befestigt. So können
die mit der Tradition vertrauten Bayern bzw. ihre Gäste schon bei Einfahrt in
den jeweiligen Ort erkennen, wieviel Ehen in letzter Zeit von jungen Menschen
geschlossen wurden.
Das „Umlegen“ dieses besonderen Baumes geschieht abhängig
davon, ob sich beim Paar Nachwuchs angemeldet hat oder nicht. Es geschieht in jedem Fall
unter tätiger Mitwirkung des Junggesellenclubs, der das Holz zum Heizen der
Vereinsräume behält, wenn keine Nachkommen im Anmarsch sind. Ansonsten bekommt
die junge Familie den Stamm.
Gegen 11 Uhr kamen ein Traktor mit Ausleger sowie
die ersten Junggesellen. Sachkundig und geschickt wurde der Baum im relativ
schmalen Hof „umgelegt“, während sich die Anzahl der Helfer beständig
vergrößerte. Sie sprachen dem exzellenten „Tegernsee-Hellen“ zu und bereiteten
auch das Beseitigen des Stammes vor. Sie war eine reife logistische Leistung. Selbst ich,
an einige Ordnung aus der Luftfahrt gewöhnt, war erstaunt, dass geschätzt nur etwa 25
Minuten nach Bodenberührung des Stammes dieser mit einer Motorsäge in Meterstücke
zerlegt und säuberlich gestapelt war. Fünf Minuten später hatte die Mannschaft
auch die letzten Sägespäne aufgefegt und sich nach Aufforderung des jungen
Ehemanns an die Tische vor der Garage gesetzt, auf denen Tischdecken und leere
Teller mit Gabeln und dazu verschiedene Soßen standen. Danach kamen auch die
ersten 150 Pelmeni – von Pascha aus einem großen Topf serviert und verteilt.
Wir
hatten angenommen, dass die Oberbayern sich traditionell höflich verhalten
würden. Aber das unbekannte Gericht an Stelle der geliebten Weißwürste sagte
ihnen deutlich zu. Sie aßen 450 Pelmeni
in kurzer Zeit auf und lobten so in Wort und Tat die „Hersteller“. Diese Nachfeier
der Hochzeit ging ungeplant bei bester Stimmung erst gegen 23 Uhr zu Ende …
Am
Tag danach fuhren wir mit eigenem Auto zum Wendelstein. Der Navigator hatte
keine Ahnung davon, dass der Weg zur Seilbahn im Leitzachtal durch Straßenbauarbeiten zurzeit über einige Umleitungen
führte. So wurden wir mit einigen besonderen Serpentinen bekannt – auf denen
sich bedauerlich häufig zu risikobereite und nicht genügend erfahrene junge
Motorradfahrer in den Tod stürzen. Bekamen auch die Information, dass aus diesem
Grund, der selbstmörderischen Tollkühnheit, beispielsweise am Kesselberg sogar für
Motorradfahrer ein Sonntagsfahrverbot herrscht …
Wir fuhren bester Stimmung mit der Seilbahn aufwärts. Meine Frage nach Gemsen in der Umgebung wurde bejaht. Sie seien aber wegen Beginn der Wandersaison selten zu sehen. Um nicht gegen die anderen
Leute abzustechen, legte ich trotz schmerzendem linken Knie die rund 130 m Höhe
von der Bergstation der Seilbahn zur Aussichtsplattform auf den engen
Serpentinen auch zurück. Wurde durch einige leuchtend blaue Enziane, kräftig gelbe
Blüten unbekannter Art und die herrliche Aussicht sowie die Hochachtung meiner
Gefährten belohnt. Während der Abfahrt hatte ich dann auch noch das Glück, eine Gemse an einem Felsvorsprung zu sehen. Ein voller Erfolg!
Fortsetzung folgt.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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