Grabsteine...



Natürlich ist es eigenartig, nach dem Post „Jubilaeum“ einen mit obiger Überschrift zu bringen. Aber das hat einen Grund. Nach dem Gespräch mit unserem Schwiegersohn, der seinen Stolz auf die so von  den Gästen geschätzte Schwiegermutter ausdrückte, gab es eines mit einem schon älteren Gast. Er hatte die Reaktion der Jubilarin auf das von mir übermittelte Kompliment beobachtet, d. h. auch sprachlich erfasst. Sie meinte, dass das alles vielleicht etwas übertrieben sei. Dem Partner seit über 20 Jahren ist jedoch nicht so leicht vorzumachen, dass ihr diese Bemerkung nicht angenehm zu Herzen gegangen ist. 
Der  Kommentar von Nikolai: „In der vergangenen Woche war ich auf dem Friedhof. Auf den meisten Grabsteinen Inschriften mit dem Inhalt wie  “Unsere liebevolle Mutter…“ oder „Unser um uns besorgter Vater…“. 
Einen dieser Väter habe ich gekannt. Ein rechter Geizhals fast ohne Freunde, weil auch noch ein Streithammel. Hinterließ ein beachtliches Vermögen. Die Erben konnten das natürlich als Sorge um sie empfinden. Nur hätten sie ihm das zu Lebzeiten nie gesagt. Weil er sie extrem kurz hielt. Mit den mit zunehmendem Alter immer zänkischeren Müttern ist das nicht anders. Auch bei ihnen wirkt der alte Spruch: von Toten Gutes oder nichts. 
Wenn man aber guten Menschen die Wertschätzung im Leben und vor Freunden ausdrückt, dann haben sie eine gewisse Befriedigung und Anreiz, so zu bleiben. Außerdem: wen interessieren überhaupt Grabsteininschriften? Da gehen ständig hunderte von uninteressierten Personen vorbei. Selten jemand dabei, den außer Geburts- und Sterbedatum die wenig fantasievollen Inschriften berühren. Weder die Besucher des Friedhofs noch die Verstorbenen haben etwas von Lobeshymnen auf einer Steinplatte oder auch auf Marmor. Aber guten Menschen im Leben Gutes tun – auch mit Worten – ist nutzbringender.“ 
Kolja ist nicht besonders redselig – seine überlegten, ruhigen Worte zur Sache sind in allen Situationen durchdacht und tiefgründig. Eine solche Beobachtung ist doch mit allen ihren Zusammenhängen recht offensichtlich. Ich beneidete ihn darum, dass mir das nicht aufgefallen und eingefallen ist.
Am Morgen des dritten Oktobers war ganz frühes Aufstehen angesagt. Die Jubilarin hatte am Vortag keinen Tropfen Alkohol getrunken. Denn sie musste ja „die Bayern“ zum Flughafen Borispol bringen. Von unterwegs meldete sie „Nebel wie Milchsuppe“. Der aber am Flughafen aufgelöst war. Nur saß der Schwiegersohn deutlich aufgeregt neben ihr. Aber gegen 12 Uhr Ortszeit bekamen wir den Anruf, dass die drei mit allen anderen Passagieren glücklich gelandet waren. 
Zum ausgedehnten Frühstück an dem Montag nach Nataschas Rückkehr wurde ich zum „Festtag der deutschen Einheit“ mit einem soliden Gläschen (50 gr) Wodka beglückwünscht. Ohne die Vereinigung währen die familiären Beziehungen nie zustande gekommen. 
Dass alle unsere auswärtigen Gäste während der zwei bzw. gar drei Tage bei befreundeten Familien untergekommen sind, war für  die bayrischen Verwandten des Schwiegersohns beinahe unfassbar. Er und Sveta hatten mit dem Söhnchen in den Tagen und Nächten ihres Besuches hier die Zweizimmerwohnung eines befreundeten Paares im Nebenhaus zu Verfügung. Das Paar war zu seiner Mutter schlafen gegangen. Unsere Kiewer Freundin hatte in unserem Wohnzimmer übernachtet – im aufklappbaren Sessel parallel zu Pavel mit Braut. 
Als das in Bayern als doch extrem unbequem und eng bezeichnet wurde, wehrte sich unsere Svetlana mit den Worten: „Vielleicht unbequem – aber im freundschaftlichen Verhältnis.“ „Das unterstreiche ich voll und ganz!“ unterstützte sie ihr Mann. Der im heimischen Dorf auch sehr gute Beziehungen zu vielen Einzelpersonen und Familien aufrecht hält – also ein Gespür für echte Freundschaft besitzt. 

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





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