Als wir heute aus
dem Haus kamen, war um uns herum recht dichter Nebel, nasskalt. Der Hund bog
zielstrebig nach links ab. Zum Fluss – wohin es mich bei der Wetterlage nicht
besonders zog. Aber da Kai in letzter Zeit zunehmend gehorsamer ist, wollte ich
ihm den Willen lassen. Sagen doch Spezialisten für Hundeerziehung, dass „der Haushund
den Herrn ausführen soll“. Begründen das damit, dass so das im Prinzip „eingesperrte“
Tier ein Gefühl relativer Freiheit empfindet und das durch erhöhten Gehorsam
vergilt. Diese Reaktion habe ich nacheinander bei unseren drei Hunden getestet
und als berechtigt erfahren.
Bei meiner Annäherung an
die Holzbrücke ohne Sichtverbindung zu unserem Hund hörte ich plötzlich
halblinks von mir Gebell über die Gärten hinweg. Sofort war mir klar, dass mein
Kai mit eigenem Ziel zum Fluss gelaufen war. Seine Hundebekannten hinter den
Zäunen begrüßten ihn kurzzeitig, weil er zu seiner verehrten Laika-Hündin im
Viertel der privaten Häuser strebte. Als ich einige 100 m in seine Richtung
gegangen war, kam er zurück. Wie immer – die letzten fünf Meter mit schuldbewusst
gesenktem Kopf und sehr langsam, fast schleichend. Nach einem leichten Hieb
hinter die Ohren – die zeremonielle Strafe für selbständige Entfernung – lief er
unbeschwert, mit seinem Schwanzstummel freudig wedelnd weiter auf die Brücke.
In der relativ
kurzen Zeit hatte sich der Nebel deutlich gelichtet. Die Sonne tauchte in dem
morgendlichen Dunst als tiefrote halbmondförmige Teilscheibe im Osten auf. Der Nebel
hatte sich an den Uferbäumen und vielen Gräsern als Reif abgesetzt. Die so natürlich
verzauberten Bäume wirkten optisch, als
hätten sie silberne Netzhemden übergestülpt bekommen.
Auf dem Weg zum
Wendepunkt kamen uns die riesige Deutsche Dogge und zwei Schäferhunde entgegen.
Offensichtlich fehlte der dritte Schäferhund mit der Ballenverletzung (siehe
vorhergehenden Post „Blutspur“). Im rechten Ohr der Dogge, die wieder einmal
dicht zu mir kam, bemerkte ich ein Pflaster. Bekam auf meine Frage die Antwort,
dass das Ohr abklappe, laut Rassemerkmal aber aufrecht zu stehen hätte. Der
Hund hätte so eine Art Stützelement eingeklebt bekommen. Werde verfolgen, wie
sich das entwickelt. Da die Färbung des Tieres für mich seit langem schon recht
unbestimmt war, fragte ich gleich nach, wie diese denn unter Fachleuten
bezeichnet wird. Erfuhr, dass ich es mit einer blauen Dogge zu tun hätte.
Als wir am
Wendepunkt umkehrten, war die Sonne nun schon als goldiggelbe Scheibe hinter
den Bäumen zu sehen. Ohne zu Blinzeln konnte ich mich an der Schönheit des
Sonnenaufgangs erfreuen. Allerdings habe ich auch nicht applaudiert – wie das der
deutsche Dichter Friedrich Hebbel erwartet: „Das Publikum beklatscht ein
Feuerwerk, aber keinen Sonnenaufgang.“ Unter den sich ständig ändernden Winkeln zu den Bäumen am anderen Ufer veränderte sich auch deren Färbung unter Sonneneinstrahlung. Die silbernen Überzüge wurden zu goldgelben, mit Straß blitzenden Togas. nicht nur dieses Farbspiel, sondern auch die Stille am Fluss
habe ich ebenfalls genossen. Sie ist regelrecht wohltuend gegen den Autolärm der Allee,
auf die wir der lästigen und gefährlichen Zecken wegen bei höheren Temperaturen
zum Spaziergang ausweichen. Das ist für mich deshalb auch angenehm, weil ich so
die natürlichen Laute der Tierwelt erfassen kann. Die sonst im Straßenlärm untergehen.
Aber auch andere
Geräusche sind auf diesem Spazierweg besser zu erkennen. Weil ich rund 30 Jahre
meines Lebens dem Flugwesen und dort vor allem Hubschraubern gewidmet hatte, höre ich den typischen Mischton aus Triebwerkslärm
und Tragschraubenklatschen sehr früh. Konnte bei verschleiertem Himmel den
anfliegenden Kampfhubschrauber orten, bevor ich ihn sah. Habe den Hubschrauber
dann auch gesehen.
Die Stille verbirgt gewissermaßen keine Geräusche wie
der Lärm. Der Morgenspaziergang am Fluss ist häufig inhaltsvoller als einer auf
der Spazierallee. Anders ausgedrückt: er bringt mir wesentlich mehr
Lebensfreude.
Bleiben Sie recht
gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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