Von Fantasy am 23.03.2012:
Hallo Siegfried. Zuerst einmal
wünsche ich dir nachträglich alles Gute zu deinem 75. Geburtstag. Ich muss
zugeben, dass mir dein erster Beitrag zwar durchaus gefallen hat, so wie
bereits geschrieben, aber ich hatte dich danach völlig falsch eingeschätzt. Je
mehr ich von dir lese, desto mehr bekomme ich den Eindruck, dass du in deinem
Leben eine Menge an Erfahrung gesammelt hast. Und dadurch auch Weisheit.
In deinem ersten Absatz hast du
durchaus Recht. Da kann ich dir nicht widersprechen, das ist ein Paradoxon, das
ich selber heraufbeschwört habe. Auch wenn ich nicht direkt nach Einsamkeit
gerufen haben. Einsamkeit wäre ein bisschen arg öde, das sehe sogar ich ein.
Weiterhin... in deinen Beiträgen
versuche ich stetig zu erkennen, ob du mich davon abhalten willst, meinen
törichten Vorstellungen von Freiheit zu folgen und mir zeigen willst, wie dumm
ich eigentlich bin oder mir Ratschläge erteilst, die ich befolgen sollte,
andererseits aber die Toleranz aufweist, einen Traum eines Jugendlichen (Ja,
ich bin jugendlich und wahrscheinlich liegt das nur an der Pubertät, aber ich
würde mich dennoch dafür hassen, sollte ich ein braver, bedingungsloser Folger
dieser Gesellschaft werden) versuchen, ausleben zu lassen. Ich habe es
versucht, aber erfolglos. Wofür stehst du ein? Und eine andere Frage: Ist dein Bild
von der Welt das Richtige?
Andere Sache: Anarchismus. Mir
dünkt, du weißt nicht so Recht, was Anarchisten sind. Anarchisten sind
Personen, die für eine freie Gesellschaft werben. Ohne Zwänge und Pflichten.
"Anarchie ist Ordnung ohne Herrschaft" dürfte die allgemeine
Auffassung vom "Chaos" wohl recht gut bewerten. Anarchie ist nicht
Chaos oder Gewalt. Die FOLGEN von Anarchie sind Chaos oder Gewalt. Und das wäre
keine Anarchie mehr, sondern Anomie oder Diktatur. Und jetzt rate mal, wieso
nie eine Anarchie bei einer so großen Menschenmenge entstehen kann. Ganz recht.
Es wird immer Schwachköpfe geben, die sich über andere erheben werden und
meinen, ihren Druck auf die Meute unter ihnen ausüben zu müssen. Deswegen leben
wir in einer Demokratie. Aber ist Demokratie gut? Im Grunde bedeutet Demokratie
ja "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." OK, an dieser Stelle kommt
wieder die Frage auf, ob wir wirklich in einer Demokratie leben. Aber das mal
beiseitegeschoben: Auch wenn die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, letztendlich
ist es immer noch Gewalt. Und ist Gewalt zu akzeptieren? Nun, das musst du für
dich beantworten.
Mir wurde in einer anderen Frage
gesagt, ich hätte ein Wunschbild wie ein kleines Mädchen, das von ihrem Pony
träumt. Das kann sein. Aber liegt es nicht letztendlich immer an den jungen
Menschen, die Welt zu verändern und die Normen zu zerbrechen, die die ältere
Generation aufgestellt hat, um ein Leben nach ihren Maßstäben zu führen? Man
muss nicht immer gleich alles schlecht reden, was von einem jungen Menschen
geschrieben wird. Die Entscheidungen und moralischen Werte der Älteren sind
geprägt durch ihr Leben. Wenn sie ihr Leben lang Zwang erfahren durften, werden
sie das mit großer Wahrscheinlichkeit auch an die Jungen weitergeben, die das
als schlecht einstufen, und werden die, die sich nicht fügen wollen, als
"dumm" und "uneinsichtig" beschimpfen.
Soviel dazu. Nicht, dass du mich
falsch verstehst, ich finde, ältere Menschen sind eben auch nur Menschen.
Grüße
Guten
Tag Fantasy,
danke
für deinen Glückwunsch und auch deine Antwort.
Heute
zum Verständnis, dass auch ich noch „mein Pony“ habe – ich würde liebend gerne mit einem noch zu kaufenden guten Fahrrad per Eisenbahn nach Wladiwostok fahren
und den Weg zurück zu meiner Familie in die Ukraine per Rad. So, wie Gustav Hartmann, der "Eiserne Gustav" per Droschke nach Paris und zurück (s. Wikipedia) Was hält mich ab? Die "Randbedingungen" - du nennst die vielleicht "Zwänge". Ich würde gern die Reise hinund zurück mit dem Rad machen - aber ein russisches Jahresvisum gilt zurzeit nur für einen Aufenthalt im Lande von 90 Tagen innerhalb dieses Jahres.
Du solltest verstehen, dass ich sehr wohl noch erinnere, dass "Jugend unausgegorener Wein" ist. Ich habe einmal einem jungen Burschen, der ein leidenschaftlicher Skatspieler war, als sein Lehrer in der Berufsschule beraten. Für mich war schon die Hinwendung deswegen an mich ein Vertrauensbeweis. Sein Problem: er liebte. Allerdings war die junge Dame vernarrt in Motorräder und mit einer Gruppe jedes Wochenende unterwegs. Da weigerte sie sich, neben ihrem Liebsten bei den Skatspielern zu sitzen. Was tun? Nach der Frage, ob sie als Person, als Persönlichkeit Recht auf Durchsetzung eigener Interessen habe, und seiner erstaunten, aber wahrhaften Antwort "Ja" gab ich diesen Rat. "Verzichte jedes zweite Wochenende auf Skatspielen und fahre als Beifahrer hinter ihr mit. Da ist angenehmer Körperkontakt und in der Gruppe vielleicht noch mehr zu entdecken.
Nach zwei Monaten kam er zu mir. Er wolle sich bedanken. Es gäbe außer Skat noch so viel Unerwartetes, Interessantes. Nach Jahren traf ich ihn, den Straßenbahnfahrer. Er bat mich in den Fahrerstand (eigentlich verboten), um zu berichten, dass sie glücklich verheiratet seien und ihr Mädelchen vor kurzem ein Jahr alt geworden ist.
Hier
beginnt meine Auffassung von
persönlicher Freiheit. Meine persönliche Freiheit endet dort, wo die einer
anderen Persönlichkeit beginnt! Schon in einer Familie zu erleben.
Lieber
junger Freund, von dem verkanntesten aller deutschen Philosophen, von Friedrich
Nietzsche stammt eine Formulierung, die mich etwas erschütterte, allerdings
positiv, als ich sie erstmals las. Das war, nachdem in den „neuen
Bundesländern“ dieser noch heute umstrittene Autor gelesen werden durfte.
„Man
verdirbt einen Jüngling am sichersten, wenn man ihn verleitet, den
Gleichdenkenden höher zu achten als den Andersdenkenden.“
Meine Weltsicht ist meine. An der kann
nur ich etwas ändern und tue das ab und an, wenn mich die Argumente überzeugen.
Ein altersstarrsinniger Schulkamerad hat mich deshalb „Wendehals“ geschimpft.
Nur: wenn ich neue Ideen nicht mehr erfassen kann, bin ich moralisch tot. Dass
sie häufig von jungen Leuten kommen, liegt, wie du richtig schreibst, in der
Natur der Sache. Nur: Anarchismus kann bei dem einen und anderen Verfechter
recht geschickt als „Freiheit“ angeboten werden – du selbst schreibst von den
traurigen Ergebnissen … Diese „Träumer“ vergessen bewusst die „Randbedingungen“
einer real existierenden Gesellschaft. Sie sind – trotz Älterwerden – so in
ihren Träumen befangen, dass sie die
Realität nicht wahrnehmen und vor allem nicht wahrhaben wollen.
Bitte
sei wenigsten in diesem Zusammenhang ein wenig kritischer. Stelle ihre und
vielleicht auch deine Auffassungen nicht neben
die, sondern in die existierende
Welt mit ihren realen Randbedingungen (Zwängen).
Als
ich mit 16 Jahren ein wenig „freier“ sein wollte als andere, entschied ich mich
zum Segelfliegen. Das war in der DDR mit der GST (mal hier als
„Wehrsportgesellschaft“ bezeichnet) einfach. Nach dem Motto: „Über den Wolken
muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“ Allerdings: das Naturgesetz vom
Auftrieb zwang jeden von uns bei Todesstrafe, mit dem „fliegenden Gartenstuhl“
SG-38 Kurven nur mit maximal 30 Grad Schräglage zu fliegen…
Bitte
gehe einmal auf meinen Blog http://erlebnis-leben.blogspot.com/
und dort zu den 4 „Briefe an uns alle …“ Da erfährst du, was für ein
autistisches Mädel „Freiheit“ bedeutet. Einem verkrüppelten jungen Mann, einem
Nachbarn, der mit seinem ebenfalls behinderten Bruder sich ein Auto so umgebaut
hat, dass beide darin fahren können, hat über deine Fragen nie nachgedacht. Er
müsse aus dem, was ist, das Beste für sich machen. Seit 16 Jahren, seit ich
hier lebe, haben die beiden nie ein missmutiges Gesicht gemacht …
Zur
Demokratie. Churchill hat sie als eine schlechte Herrschaftsform bezeichnet –
aber als Beste unter allen bekannten. Bitte sei so nett und überlege, was
passiert, wenn mehr als zwei Menschen (s. Pärchen oben) zusammen sind.
Schön wäre, wenn Immanuel Kants kategorischer Imperativ wirken würde: "Handle nur nach demjenigen Grundsatz, durch den du zugleich wollen kannst, dass er ein allgemeines Gesetz werde." (eine ausgefeilte Form des alltagsprachlichen: "Stelle dir vor, jeder würde das so tun.")
Aber denkste" Plötzlich wollen alle "frei" sein. Dann ist es aus mit "menschlichem Zusammenleben". Es kommt ohne Regeln (von mir jetzt erst zugefügt) zu den von dir so bezeichneten "Folgen des Anarchismus". Was ist das für eine beschissene Idee, die solche Folgen bringt?
An Gewalt im System sind nicht "Schwachköpfe" schuld ein Chaos muss irgendwie geregelt werden. Wer das erkennt und seine Chance nutzt - nicht gleich verwerflich.
Das System mit Vernünftigen etwas bessern - NeuDeutschland
im Internet ver-suchen.
Bleib gesund! Siegfried
Hallo
Fantasy, hier noch eine Bitte hinterher. Auf meinem Blog http://erlebnis-leben.blogspot.com/
dokumentiere ich gewissermaßen alles Interessante aus meinem Leben. Seit
unserer "Korrespondenz" gehörst du mit dazu. Deshalb bitte ich dich,
mir zu erlauben, deine Ausgangsfrage und die daraus entstandenen
"Gespräche" in meinen Blog mit aufzunehmen. Ich könnte es einfacher
haben - gesetzlich ist Zitieren bei Quellenangabe erlaubt. Aber ich würde es
lieber haben, wenn du mir deine Erlaubnis gibst zu "weitergehender
Veröffentlichung". Ausdrücklich so, damit nicht plötzlich eine Abmahnung
auftaucht (gesellschaftliche Zwangsvollstrecker - um Autorenrechte zu
schützen). Danke im Voraus Siegfried
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