Chiemsee


Chiemsee

An diesem Tag, an dem gegen Abend auch noch Sturmwarnung für den Chiemsee ausgerufen wurde, hatten wir erneut Glück. Denn das von den berufsmäßigen Wetterfröschen in Oberbayern für den ganzen Tag angesagte zumindest „unfreundliche“ Wetter fiel für uns aus.
Zur Hinfahrt via Autobahn nichts Wesentliches – von ihr ist von der Bergregion auf viele Kilometer hin schon zu sehen, was bei Fahrt „über die Dörfer“ von der bewaldeten Landschaft abgeschirmt wird. Der Parkplatz fast an der Anlegestelle der Chiemseeflotille sehr preiswert in einer ansonsten nicht gerade zimperlichen Ecke.

Die Fahrt auf dem Sonnendeck eines der Fahrgastschiffe war angenehm und auch optisch interessant – denn die Umgebung ist für einen Gast doch sehr bemerkenswert. Auf der Herreninsel, beim Spaziergang zum Schloss doch zwei bemerkenswerte Ereignisse.
Wir hatten schon lange, bevor wir die Kinder zu Gesicht bekamen, ihre häufig im Chor gerufenen Worte vernommen. Das machte mich neugierig. Als sie auf unseren Weg einbogen, sah ich den „Dirigenten“. Mit dem sicheren pädagogischen Gefühl dafür, dass eine Gruppe von Kindern auf einer Wanderung auch durch organisiertes „laut-sein-dürfen“ sicher zusammengehalten werden kann, in einer relativ wenig begangenen bewaldeten Gegend organisierte er dieses Erlebnis. Er, ein Mann jenseits der 50 etwa, gab ein Stichwort, und auf sein Kommando riefen die fröhlichen Knirpse dann dieses Wort oder einen kurzen Satz. Jede/r, so laut sie/er konnte. Danach setzte das fröhliche Geschnatter einer zufriedenen Kinderschar ein. Nach einigen Minuten wieder „Ensemble-Einsatz“ – nur in dem Dialekt der Gegend, den ich nicht so verstehe, um hier Worte oder Sätze zu dokumentieren. Aber für mich war der pädagogische Effekt eindeutig. Diese Kinder haben einen befähigten, weil einfühlsamen Erzieher.

Das zweite besondere Ereignis bescherte uns Mutti Natascha. Wir hatten nicht nur das Schloss und die davor befindlichen Anlagen bewundert, sondern auch die ungeheurer Arbeit gewürdigt, welche darin steckt. Sie mit dem sehr praktischen Sinn der Frau vom Bau machte uns auf eine nach ihrer Auffassung „Besonderheit“ aufmerksam. Direkt von der Anlagestelle am Festlandsufer führte eine gerade Linie zur Freitreppe des Schlosses. Und auf Inselseite war eine breite, unbewachsene Schneise hin zum Ufer geschlagen, über welche nach unserer bald gemeinsamen Auffassung der Transport der Baumaterialien wahrscheinlich auf kürzestem Wege stattgefunden haben könnte, genauer: musste. Denn Transportkosten sind abhängig von der Weglänge …

Was meine Mädchen in dem Gehege unweit des Schlosses als „Rehe“ ansahen, kam mir selbst auf die Entfernung zu groß für die Gattung vor. Wir gingen näher – ein Damwildrudel mit einigen schon intensiver gefleckten Alttieren und viele lebhafte, noch nicht so ausgeprägt eingefärbte junge Tiere.

Die kurze Fahrt zur Fraueninsel ohne andere Erlebnisse – auf ihr deren drei.
Der Inhaber eines Andenkenshops wollte wissen, wie ich als akzentfrei deutsch sprechender so rasch auf Russisch umschalten könne. Dass ich schon lange bei meiner ukrainischen Frau lebe, führte zu Fragen nach Frau Timoschenko und danach, wie ich in das Land gekommen sei. Schließlich erinnerte er sich als Hobbyflieger an seine ersten Luftfahrttrip in den unbekannten Osten und eine Landung auf dem damals heruntergekommenen Flugplatz Brandenburg-Briest. Dort hatte ich 8 Jahre „gedient“ und konnte mit meinen Bemerkungen bei ihm gewisse Ressentiments abbauen.

Auf dem Weg zum Eingangsbereich des dortigen Nonnenklosters kamen wir über den Friedhof. Im Blickfeld seitlich fiel mir ein Grabdenkmal auf: „Alfred Jodl, Generaloberst, + 1946“ – eine Information, die ich hier nicht erwartet hatte.  Mit deutscher Militärgeschichte etwas vertraut, konnte ich sie in geschichtliche Zusammenhänge einordnen.

Einige Schritte weiter begegneten wir einer Ordensschwester und als wir aus dem mit einer nur für Gäste des Klosters sich öffnenden Pforte verschlossenen hellen Durchgang zurückgingen, kamen uns drei tibetische Mönche entgegen.

Erst als wir ins Auto stiegen, zogen sich die dunklen Wolken zusammen, welche uns bis zu unserer Ferienwohnung begleiteten und etwas vom prophezeiten Gewitter mit Regen brachten. Der Tag war wieder voller Erlebnisse, von denen hier nur die wesentlichsten erwähnt sind. Getreu dem Motto von Robert Browning: „Jede Freude ist ein Gewinn und bleibt es, auch wenn er noch so klein ist.“

Bleiben  Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger



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