Kommen wir als erstes zu den recht unverdächtig geradlinigen Kindern.
Nur: vor dem Beurteilen sollten wir uns vielleicht erst einmal darüber verständigen, was "Wahrheit" ist oder sein soll - einverstanden? Um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen ...
In
„Wikipedia“ fand ich 8 verschiedene „Wahrheitstheorien“. Also gibt es folglich mindestens
acht „Wahrheiten“? Welche sprechen Kinder und Betrunkene denn nun aus?
Dieses
wissenschaftlich achtbare Herangehen hat für uns, die „Normalverbraucher“, nach
meiner Meinung recht wenig praktischen Sinn. Wir brauchen einen Begriff für die
„Alltagswahrheit“.
Der
könnte so zu lesen sein:
„Wahrheit
hat die Bedeutung von Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, mit Tatsachen,
Sachverhalten und als richtig bewiesenen normativen Auffassungen sowie auf
denen beruhenden eigenen Erkenntnissen, Erfahrungen und Überzeugungen.“
Wahrheit
hat also wie vieles im menschlichen Miteinander viele Facetten.
Als
Beispiel hier der berühmte Satz von Alfred Tarski: „ ‚Es schneit‘ ist eine
wahre Aussage dann und nur dann, wenn es schneit.“ Die Basis dieser Wahrheit:
ein real zu beobachtender Vorgang.
Dazu
ein nicht minder bekannter Satz, der auf eigenen Erkenntnissen, Erfahrungen und
Überzeugungen des berühmten Autors beruht – Johann Wolfgang von Goethe: „Wahrheit
sage ich euch, Wahrheit und immer nur Wahrheit. Meine Wahrheit – ist mir doch
keine andere bekannt.“
Mir
scheint auch wichtig zu bezeichnen, was „Unwahrheit“ ist – die Falschheit als
unsachgemäße Darstellung, die Lüge als beabsichtigte Verfälschung und der
Irrtum als fälschliches für-wahr- halten von Aussagen und Ergebnissen.
Wenn Sie bei dieser meiner Auffassung vom Wahrheitsbegriff im nun kommendem
Text mitgehen wollen, lesen Sie bitte weiter. Wenn nicht – bitte bei „Wikipedia“
nachgraben …
Mir passt am besten in mein persönliches Konzept der Johann Wolfgang:
auch wenn seine Variante Kinder und Betrunkene deren eigene Wahrheit auszusprechen erlaubt.
Die Kindlein sagen offen, was sie denken, treffen ab und an peinliche oder spaßige Wahrheiten. Allerdings nur, weil ihre Meinung nicht durch Lebenserfahrung gedeckt ist.
Die Betrunkenen äußern sich, durch den Alkohol der Selbstzensur entzogen, auch offener als üblich. Nicht immer zum eigenen Vorteil, selten sachlich richtig. Diese "offenere Meinung" wird - als "Wahrheit" hochstilisiert. Das finde ich jedoch zweifelhaft.
Wahrheit ist für mich ein Wertbegriff.
Den mag ich mir nicht durch Unerfahrene und fast Unzurechnungsfähige zerstören lassen.
Zum Umgang mit "meiner" Wahrheit - die ich lieber als "meine Meinung" bezeichne. Wenn sie sachliche Positionen betrifft, sage ich sie ohne Rücksicht auf mein Gegenüber.
Aber mir würde nie einfallen, unserem todkranken Freund, der schuldhaft und qualvoll in den nächsten Tagen wegen seines langjährigen Rauchens an Kehlkopfkrebs sterben wird, anlässlich eines Besuches zu sagen: "Nun wollen wir aber Abschied für immer nehmen." Ich werde diese Wahrheit einfach nicht aussprechen - damit wird sie aber nicht zur Lüge!
Zwischen diesen beiden extremen Positionen gibt es so viele Abtönungen, dass sich für jede Situation eine passende Variante der "wahren eigenen Meinung" finden lässt.
Mir scheint wesentlich, nicht zu lügen.
Fehler machen wir alle, sachlich nicht passende Schilderungen sind deswegen zwar nicht wahr, aber nur ein Mangel an Erkenntnissen und Erfahrungen.
Deswegen bin ich auch bereit, meine Meinung bei besseren Argumenten zu ändern.
Denn ich besitze nur meine Wahrheit - aber nicht die einzig gültige.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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