Der Morgen
begann damit, dass der schwarz-weiße Kater der Nachbarn vor unsere Terassentür
eine tote Spitzmaus ablegte. Danach mauzte er einige Zeit, um auf sich
aufmerksam zu machen. Ich hatte schon wach gelegen, stand auf, streichelte ihn
lobend und warf das Mäuschen auf den Komposthaufen im Garten. Der Kater frisst diese Mäuse sehr selten - sie riechen eigenartig. Aber was vom nahen Feld oder aus dem Haus kommt und in den von ihm bewachten Garten
eindringt, riskiert eben sein Leben. Der oder die sollten das wissen …
Sie haben
eine schöne nahe Heimat – die Oberbayern. Wir hatten dazu Glück – ein Maitag
nicht zu warm und mit guter Fernsicht. Der schon am Vorabend besprochene Plan
konnte umgesetzt werden. Die Anfahrt verlief relativ lange so, als ob es die
Berge nicht gäbe. Erst auf den letzten 7 - 8 Kilometern schoben sie sich
gemächlich und majestätisch ins Blickfeld und unter die Räder.
An diesem
Montag nur wenig Besucher – nach der Anzahl der PKW auf dem Parkplatz vor der
Talstation der Seilbahn. In deren Vestibül eine übersichtliche und knappe, auf
das Wesentliche beschränkte Beschreibung der erdgeschichtlichen Phase wie auch der
„Besiedlungs-Geschichte“ des Wendelsteins und der Ausflugsmöglichkeiten von
Talsohle bis zum Gipfel.
Was ich dort
zu den möglichen „Spaziergängen“ las, verheimlichte ich meiner Natascha, nach vorsichtigem
Blickkontakt mit Svetlana. Abgehärtet durch meine alltägliche Lebensweise und ebenfalls
trainiert durch die Morgenspaziergänge mit unserem Hund, machte ich mir um
meine Kondition keine Sorgen. Es beunruhigte mich lediglich ein wenig die
Tatsache, dass ich die Körperreaktionen von uns beiden bei Marschbelastung in
über 1800 m Höhe nicht so recht abschätzen konnte … Obwohl Svetlana mich
mahnte, doch eine dünne Jacke anzuziehen, blieb ich störrisch wie ein alter
Esel bei meinem kurzärmeligen Hemd.
Noch vor dem
Einstieg in die Seilbahnkabine hatte wir zu dritt festgestellt, dass die
Leistung all jener, welche dort oben Kirchlein, Wetterstation und Observatorium
aufgebaut und alles andere eingerichtet hatten, nicht einfach nur „achtenswert“
genannt werden sollte. Mich erheiterte ein wenig die Tatsache, dass schon bei
den ersten Bauten droben in der Höhe unsere italienischen Nachbarn
entscheidenden und achtenswerten Anteil hatten – vor über 100 Jahren … Aber auch davon, dass die Zahnradbahn von vorwiegend bosnischen Arbeiter in ihre Geleise gebracht worden ist, nahm ich mit gewisser Verwunderung zur Kenntnis - wenn auch später und nicht aus den Darstellungen auf den Schaukästen (kann ich dort übersehen haben).
In einigen
der Schluchten taute noch der letzte Schnee. Mit jedem Meter, den wir an Höhe
gewannen, wurde die Sicht auf das entschwindende Tal und die „auftauchenden“
Gebirgsmassive zunehmend eindrucksvoller. Nur natürlich bei einem ersten Besuch
in einer Bergregion und sicher bei jedem neuen immer wieder.
Schon nach
dem Aufstieg zur Plattform mit dem Kirchlein und dem Besuch der – lausig kalten
– Höhle meinte Natascha, ihre Leistungsgrenze erreicht zu haben. Nach einigen
Minuten Sitzen siegte aber die Neugier. Wenn da weiter oben Leute zu uns
herunterschauten, sollten wir doch denen nicht unterlegen sein. Also auf in die
Höhe!
Mit nur
wenigen Blicken auf die wunderschöne Landschaft, dafür mit mehr Aufmerksamkeit
auf den Weg unter den Füßen kamen wir auf den ersten Serpentinen zu den
Vorstellungen davon, was wir noch würden zurücklegen müssen …
Erstaunlich
war für mich etwas anderes. Alle Bewegungen gingen scheinbar leichter vor sich
als in um 1000 m geringerer Höhe. Selbst das Atmen fiel mir zumindest leichter.
Bis der Groschen fiel. Gewöhnt an den herrschenden Luftdruck in etwa 100 – 200
m Höhe, lastete hier oben eine deutlich geringere Luftsäule auf uns!
Auf der
Gipfelplattform eine Gesellschaft aus vorwiegend Personen im Rentenalter. Alle
in guter Stimmung. Richtig – wir leisten bei dem Aufstieg doch noch etwas … Die
jüngeren Semester sicher am Arbeitsplatz – die zweite Maihälfte ist ja nicht
gerade Urlaubszeit.
Beim Abstieg zur
Seilbahnplattform eine Besonderheit: uns entgegen kam sehr leichtfüßig – ein
passionierter Barfüßer. Während meine Mädchen ihn nur bestaunten, drückte ich
ihm meine Anerkennung aus. Gefiel ihm sichtlich.
Kurz danach
der nächste kleine Glücksmoment: eine wunderschön blau blühende Enzianstaude im
Gestein, sehr nahe am Wanderweg.
Während wir
auf die letzte Seilbahnfahrt warteten, erfrischten wir uns ein wenig. Die
erstaunlich geschickt fliegenden Bergdohlen waren auch noch außerordentlich
dreist. Allerdings ging Nataschas Versuch, eine von ihnen an den Füßen zu
fassen, während die mir auf der Tischplatte „aus der Hand“ fraß, jämmerlich
daneben.
Auf der
Sinkfahrt ins Tal neben uns eine wunderschöne Hündin – eine Mischling aus
Bernhardiner und einem anderen Sennenhund – hellbraun mit einigen fast
unsichtbaren Flecken. Zutraulich, legte sie sich auf den Boden und wälzte sich
ein wenig in Nataschas Richtung. Sofort waren deren weiße Hosen etwas befleckt
– im dichten Fell des großen Tieres waren Feuchtigkeit und etwas Erde gut
aufbewahrt worden.
An der
Talstation für Hund und uns etwas zum Staunen: ein selbstständig herumfahrender
elektrischer Rasenmäher. Die Hündin hatte für das merkwürdige „Lebewesen“ ganz
besonderes Interesse – Herrchen musste sie an die Leine legen.
Das Bier vom
Rastplatz machte es, dass ich erst vor der Ferienwohnung wieder wach wurde. Zum
Glück war der EDEKA-Laden im Dorf gut bestückt – ich fand dort doch Hühneraugenpflaster.
Die schwache Schmerzempfindung an einem Zeh hatte mir den Genuss dieses Tages
nicht schmälern können.
Der Kater
hatte diesmal als Geschenk eine dicke Feldmaus vor die Eingangspforte des Gartens
gelegt.
Der
Wendelstein ist eine Reise wert!
Abhärten
lohnt sich auch. Trotz Kälte und sogar regelrechtem Zittern in der so genannten
„Frostfalle“ der Wendelsteinhöhle (geprägt von riesigen Schneemassen, die durch
den natürlichen unbegehbaren Eingang eingedrungen sind und sich unterhalb
angesammelt haben), habe ich bei mir am Morgen danach keine Anzeichen von
Erkältung festgestellt.
Bleiben Sie
recht gesund!
Ihr
Siegfried
Newiger
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