Als ich am 15.
September 2016 nach Odessa fahren wollte, war unser Auto in Reparatur. Zum
Glück fahren seit längerem Kleinbusse (hier: Marschroutentaxis) an die Straße
Kiew-Odessa. Meine vorsorgliche Frau legte die Abfahrt frühzeitiger fest als
gewohnt. Folglich saßen bzw. standen wir mehr als eine Stunde an der
Haltestelle – bei glühender Hitze. Warten ist immer langweilig. War dort
unerträglich. Der Überlandbus kam wegen Stau auf der Strecke verspätet, war
aber gut temperiert.
Unsere Freunde nahmen mich in Odessa herzlich in Empfang. Vor dem
Schlafengehen schockte ich Natascha telefonisch damit, dass sie meinen Pyjama
nicht eingepackt hatte. „Hättest ja kontrollieren können.“ konterte sie
schlagfertig. Meinen Protest, dass ich ihrer Genauigkeit wie immer vertraute, schmetterte
sie ab. Weibliche Logik…
Der folgende Freitag war von Spaziergängen ausgefüllt,
auch der Sonnabend. Dieser noch am Abend durch einen 34-sten Jahrestag der
Hochzeit eines Kapitäns auf großer Fahrt und einer Lehrerin gekrönt. Er war
anwesend.
Am Sonntag besuchten wir eine Ortschaft, in welcher das Tairov-Institut
für Wein und Weinbau zuhause ist. Meine Freunde zeigten mir, dass dieser Ort
selbst zu Sowjetzeiten sehr ansprechend in Straßen und Bauten gehalten war,
weil dort nicht selten ausländische Gäste betreut wurden.
Schon 1911 hat der
Begründer Tairow eine etwa 120 m tiefe Trinkwasserquelle anbohren lassen. Aus
ihr werden heute die Haushalte der Umgebung mit schmackhaftem Trinkwasser gegen
sechs Kopeken pro Liter versorgt (das sind etwa 0,02 Cent). Wir nahmen davon rund
30 Liter mit.
Am Montag begann die Umstellung des Wetters auf den Herbst mit starkem Wind.
Am Strand, den wir aus sicherer Entfernung betrachteten, gingen einige extrem
wagehalsige Personen schwimmen. Über die Schaumkronen hin jagten von ihren
Schirmen gezogen mutige Männer auf Surfbrettern. Beneidenswert.
Der Dienstag
fing mit viel Regen an. Am Vorabend hatten unsere Freunde Gäste aus Deutschland
vom Flughafen abgeholt. I. und H., zwei sehr unterschiedliche Frauen und
einander sehr gut ergänzende Persönlichkeiten, waren nachmittags und am Dienstagabend
die Gäste von Tatyana und Dirk. Der Abend war zauberhaft. Die Gespräche sehr gründlich,
aber mit Witz und Humor gespickt.
Schon lange habe ich mich in solcher
Gesellschaft nicht so wohl gefühlt.
Beispielsweise erzählte I.: „Als wir am heutigen
Morgen im gegenüberliegenden Café frühstücken wollten, das die Versorgung der
Hotelgäste besorgt, waren die Straßen fast unpassierbar. H. verzichtete auf
ein Frühstück unter diesen Bedingungen. Ich hatte echt Hunger. Also zog ich
Schuhe und Strümpfe aus, krempelte die Hosen bis zu den Knien hoch und stapfte
ins Wasser. Es ging gut bis zu einer tieferen Delle. Mein Frühstück bekam ich
mit nassen Hosenbeinen. Wurde für meinen Mut still bewundert.“
Die
„Überschwemmung“ in Odessa war bedingt dadurch, dass nicht nur in dieser Stadt
die Kanalisation alt ist, dazu im Sommer sehr wenig Regen fiel und die Bäume
schon recht reichlich Laub abwarfen. Das vom Regen in die Kanalisation gespült
wurde und folglich zu örtlichen Verstopfungen führen musste. Da ich nur Sandalen
mitgenommen hatte, fiel für mich dienstags jeder Spaziergang aus.
Am Mittwoch
gingen wir mit Dirk in ein Amt. Vor dem, in einer Nebenstraße, war ein recht
hoher Baum vom Wind am Vortag mit dem Wurzeln aus dem durchnässten Boden
gerissen worden.
Anschließend trafen wir im Stadtzentrum die beiden Damen vom
Vorabend. Zu viert hat uns die niedliche 17-jährige Odessitin Alica, die von
Dirk Nachhilfeunterricht in Deutsch bekommt, es aber schon recht gut spricht,
ein wenig durch das Stadtzentrum mit dessen Sehenswürdigkeiten geführt. Sie
übt, um einmal als Studentin Stadtführungen machen zu können. Etwas zu
verdienen.
Zwei Halter von gezähmten Tauben, die auf Händen und Schultern
sitzen blieben (die Vögel), versuchten, die deutsch sprechende „junge
Touristin“ mit den auf Armen, Schultern und einem halberhobenen Bein fotografierten
Tauben über den Tisch zu ziehen. Mit dem zwölffachen des gewöhnlichen Preises –
den sie ja kannte. Etwas, das anderswo in der Welt auch versucht wird. Da
zeigte das nette Mädchen echt Zähne – was mich überzeugte. Sie ist selbständig.
Eine Neuerung in Odessa: Taxiruf über App und Abrechnung durch den Operator des
Unternehmens über Smartphone des Fahrers. Gut, rasch und preiswert.
Am Freitag fuhr
ich wieder heim – reich an Gesprächsstoff und Erlebnissen, Eindrücken. Im Bus
ein an sich sympathisches Pärchen vor uns. Das aber seine Sitzlehnen nicht
hochklappte, als der erste Halt kam. Deshalb bat ich vor dem zweiten relativ
laut, dass sie doch Rücksicht auf einen alten Herrn nehmen möchten. Taten sie,
wenn auch ein wenig verstimmt.
Danach kam ich mit der jungen Frau neben mir ins
Gespräch – Zahnärztin aus Odessa. Wohnt in Tschernomorka, wo wir in Tatyanas
Datsche mit Natascha uns im Juli ein wenig erholt haben. Es war eine sehr nette
Unterhaltung bis zu meinem Ausstieg in Bila Tserkva.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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