Vor jeder Reise ist
jedermann etwas unruhig. Rechtzeitiges Schlafengehen erspart mir den Wecker. Schon
um drei Uhr in der Frühe war ich am 27. August 2016 munter. Wälzte mich noch
etwa 15 Minuten hin und her, stand auf. Die Rasur musste sein – wollte ich doch
kultiviert erscheinen. Auf dem Weg Kiew-Berlin, aus unserem Wohnort Bila Tserkva (Weißkirchen) nach Westeuropa.
Starker Tee,
ein kleiner Happen Essbares zwischen die Zähne, mit auf den Weg. Um fünf Uhr
fuhr planmäßig der Kleinbus nach Kiew. Die rund 80 km zum dortigen Hauptbahnhof
in knapp eineinhalb Stunden. Neuerdings pünktlich, auch wenn das Fahrzeug nicht
wie früher „voll“ besetzt war. Deshalb manchmal bis 45 Minuten später abfuhr.
Natascha
begleitete mich – wie ich „liebevoll“ bemerkte um zu sehen, dass ich nicht
zurückkam. Dass sie die von mir zurechtgelegte „Halskrause“ für das lange
Sitzen im Überlandbus als zu unserem eigenen Auto gehörend an einen anderen
Platz gelegt hatte, ich sie folglich vergaß, brachte kurzzeitig einen gewissen
scharfen Ton in das Gespräch. Wir hatten weder Zeit noch Lust auf einen
morgendlichen Sprint. Aber nun war folglich logischerweise meine erneute „Endkontrolle“ fällig
– Reisepass, Portemonnaie, Schrittmacherpass, Handy, Tempotaschentücher… Alles,
was ein Mann sonst noch so vergessen kann…. Dann Küsschen, Klaps für den ungeduldigen
Hund, ihre Kontrolle der sachgemäßen Verstauung des Reiserollis – los gen Kiew.
Nach einigen Metern ein Problem. Der Kleinbus wollte nicht weiter. Der Fahrer
rief den Kollegen zu Hilfe, welcher die nächste Fahrt machen sollte. Umsatteln,
Gepäck nicht vergessen. Das von Natascha vorsorglich notierte Kennzeichen
unseres ersten Fahrzeuges verlor seine Beweiskraft, bevor sie daheim ankam…
Der
Busfahrer schien die verlorenen Minuten einholen zu wollen – wir waren früher
als sonst bei der Haltestelle nahe Haupt- und Fernbusbahnhof. Die Firma
Shevchenko-Reisen hatte ihren Reisebus nach Bonn mit zwei netten Fahrern
bereits bereitstellen lassen.
Um nicht die Toilette in der engen Kabine während
der Fahrt aufsuchen zu müssen, ging ich zu der des Busbahnhofs. Hier etwas,
dass ich auch im Hauptbahnhof schon erleben durfte: der Abtritt in ein Langloch
auf dem Fußboden! Der ungeübte Westeuropäer, für den vor allem mit zunehmendem
Alter eine „Toiletten-Hocke“ schwer fällt, ist verschnupft. Auch wenn die
Slawen meinen, dass auf diese Weise Schmierinfektionen vermieden werden. Es ist
extrem ungewohnt. Aber zu machen – wenn man denn muss…
Besonderheiten in der
Landschaft während unserer Reise am Tage: die Ukraine bei der Kartoffelernte.
Auf
dem letzten Rastplatz vor der ukrainisch-polnischen Grenze informierten uns die
Reisebegleiter davon, dass die polnischen Zollbeamten uns wahrscheinlich aus
dem Bus ins Grenzgebäude mit Gepäck zur Kontrolle dessen mittels
Röntgenapparatur auffordern würden. Wie
gewöhnlich am Flughafen.
Die Empfindungen – wie bei Reisen einst in die
Sowjetunion. Wo im Grenzbahnhof Brest fast die Streichhölzer in der Schachtel
aus der Jackentasche gezählt wurden. Allerdings jetzt in umgekehrter Richtung.
Nach der für mich erstmaligen und eigenartigen Prozedur dieser Zollkontrolle hatte
ich noch Verbindung nach zuhause über unseren ukrainischen Provider. Also ließ
ich Natascha wissen, dass ich unbeschadet, jedoch mit besonderen Erlebnissen in
die EU gekommen sei.
Danach schaltete ich das Handy ab. Die angenehme Zeit ohne
Anrufe oder SMS hatte begonnen. Zumindest für einen halben Tag – bzw. Nacht.
Ein
moderner Reisebus macht die eigenen langen Beine nicht kürzer – also auch mit
dem Halskissen dabei hätte ich in dem Fahrzeug nicht schlafen können. Da wir
die Grenze in zwei Stunden und zehn Minuten „überwunden“ hatten, kamen wir
diesmal schon um zwei Uhr dreißig im Berliner Busbahnhof an. Knapp 24 Stunden
wach. Im Quartier fiel ich ins Bett bis gegen zehn Uhr.
Bleiben Sie recht
gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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