Kleinkram?



Hier werde ich nicht müde zu wiederholen, was Robert Browning sehr richtig formulierte: „Jede Freude ist ein Gewinn und bleibt es, auch wenn er noch so klein ist.“ Denn meine gute Laune im von sommerlicher Wärme durchglühten Berlin kam wie immer an vielen Tagen jeden Jahres von den kleinen Ereignissen. Es scheint mir, dass auch J. W. von Goethe diese Auffassung vertrat. Schrieb er doch: „Willst du dich am Ganzen erquicken,so musst du das Ganze im Kleinsten erblicken.“ 
Wegen der Hitze der letzten Tage fielen auch mehr als zu dieser Zeit sonst schon üblich vergilbte Blätter zu Boden. Auf dem Weg zum Bus bemerkte ich, dass zwischen ihnen besonders geformte lagen. Eindeutig Blätter des Gingkobaumes, den ich lediglich noch nicht wahrgenommen hatte. Weil noch Zeit war, ging ich ein wenig umher und sah hinter einer Ecke den Baum, welchen ich in näherer Umgebung zur Bushaltestelle erwartet hatte. Freute mich darüber, dass meine Achtsamkeit noch auf der Höhe ist. 
Im recht vollen Bus bot mir sofort ein junges Mädchen ihren Platz an. Ähnliches geschah mit Jungen und Mädchen häufiger – erneut ein Beweis dafür, dass „die Jugend“ nicht so ist, wie einige Miesepeter mir vormachen wollen. Ewige Pessimisten. 
Dieses „kleine Glück“ konnte ich einmal sogar teilen. Einer bejahrten Frau, die nach mir noch eingestiegen war und welche ich wegen ihrer auf der vorderen Kopfhälfte fast völlig fehlenden Haare erst für einen Mann gehalten habe, zeigen, dass ein frei gemachter Platz außerhalb ihres Sichtfeldes da war. Sie bedankte sich herzlich bei mir für die einfache, geringe Aufmerksamkeit. Wie heißt es sinnvoll: „Glück ist das einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ 
Dann sah ich an einem Imbissstand zwei Vögel herumhüpfen. Fast wie Spatzen gefärbt, aber deutlich größer. Erkannte in ihnen beim genaueren Hinschauen zwei junge Drosseln. Unbekümmert um die Essenden – wie sie es offensichtlich von den Sperlingen abgesehen hatten – sammelten sie sich ihre Futterbröckchen auf der Erde, aber auch von den Tischen auf. Die Anpassung an das Stadtleben ist ihnen offenbar geglückt. 

Dann kam plötzlich das Smartphone. Eine Vertreterin des Providers hatte angerufen. Ob ich meinen Vertrag fortführen wolle. Da er für mich die günstigste Variante schien, stimmte ich zu. Sie bot mir danach eine Gutschrift oder ein hochwertiges Smartphone als Prämie an. Ich wählte das moderne Handy. Ehrlich: mein altes hatte einen Knacks beim Herunterfallen abbekommen, hatte schon Aussetzer gezeigt. 
Als das neue Smartphone eintraf, hatte ich die typischen Probleme der „älteren Generation“. Für uns sind moderne Liebeslyrik und Betriebsanleitungen neuester elektronischer Geräte selten sofort verständlich. Verzweifelt googelte ich nach der Anleitung für das HUAWEI 9 – sie war etwas für fortgeschrittene Smartphonenutzer. Die Verfasser sind Profis, welche wissen, was sie meinen – nur verstehen die es in den meisten Fällen nicht, das gesamte Thema allgemeinverständlich in Worte zu fassen. 
Zum Glück sah ich im Berliner Hauptbahnhof eine Filiale des Providers. Die dort den Service erledigende junge Frau besaß Mitgefühl, Takt und Sachverstand. Meine ersten Striche über den großen Touchscreen verursachten folglich ungewolltes Chaos. Aber ich kann, was ich will. Die ersten Lernschritte sind gemacht – werde mich vor meiner Frau und den neugierigen jungen Leuten unserer Familie nicht blamieren… 

Ein gleichaltriger Freund bedankte sich bei mir, als ich ihn anrief. Nicht für den Anruf- sondern für einen Rat. Den ich ihm im April des Jahres gegeben hatte. Bei seiner Erfahrung als Lehrer doch das Angebot anzunehmen, Deutsch bei Ausländern zu unterrichten. Nicht immer einfach – aber befriedigend, weil er wieder gebraucht würde. Rentner sein allein ist meist sehr langweilig… 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger

P. S.
Weil ich vorgestern dringend zum Arzt bestellt wurde, kaufte ich vorsorglich eine Tageskarte für den AB-Bereich der Verkehrsbetriebe Berlin. Da aber meine U-Bahn einfuhr, schaffte ich es nicht mehr, die Fahrkarte mit Stempelaufdruck gültig zu  machen. Steckte sie in das Plasttäschchen, welches die abgelaufene Wochenkarte enthielt. Um die neue Fahrkarte nicht zu verlieren. Plötzlich: "Ihre Fahrkarten bitte zur Kontrolle." Schreck in der Morgenstunde! Die ungültige Karte hätte 60 Euro Strafe bedeutet - obwohl ich eine für 7 Euro gekauft hatte. Die Kontrolleure gaben mir Vorschuss, den unsere Vorfahren verdient haben durch gesetzestreues Verhalten. Sie schauten relativ flüchtig auf die abgelaufene Wochenkarte, welche ich ihnen frech zeigte. Dass der Opa ohne Grund betrügen wollte, glaubten sie wohl nicht. Erleichterung bei mir und nach dem Aussteigen sofortiges Stempeln des Fahrtdokument. Dazu die Freude, soeben 60 Euro gespart zu haben - mit etwas Glück und gewisser Kaltblütigkeit - genauer Frechheit. 

Siegfried






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