Im Post „Erneut
Odessa“ habe ich meine vorwiegend positiven Erlebnisse mit diesem Besuch
beschrieben. Daheim war Nataschas Tochter Sveta mit Sohn, also Enkel Patrick zu
Besuch gekommen. Noch nicht ein Jahr und einen Monat alt. Der neugierige und
fast ständig freundliche Kleine ist für mich eine echte Freude. Natürlich auch
für die stolze Oma.
Zwei kleine Begebenheiten, die mich von seinen guten
Anlagen überzeugten. Die Mutti verschwand in der Toilette. Söhnchen hatte das
mitbekommen. Wackelte also etwas unsicher hinterher, klopfte an die Tür. Keine
Antwort. Er überlegte. Sah den breiten Lichtstreifen am Fußboden. Legte sich
auf den Bauch, um Mutti zu sehen.
Ich habe herzlich gelacht – aber auch
gedacht: welch eine Intelligenzleistung des nur wenig mehr als ein Jahr alten
Kindes! Räumliches Denken und logische Verknüpfung!
Zwei Tage später eine
ähnliche Situation. Mutter und Sohn sprechen über Skype mit dem weit entfernten
Vati. Von jenem sind, wie uns Erwachsenen gewohnt, nur Kopf und Vorderfront
sichtbar. Dem Patrik reicht das nicht. Er bückte sich auf Muttis Schoß tief
nach unten, um auch den für ihn „gewohnten Rest“ vom Vater unter dem Tisch zu
sehen. Erneut für mich eine sagenhafte geistige Leistung! Verbunden mit
optimistischer Stimmung bei mir – eben ein mich überwältigendes Erlebnis.
Am
ersten Abend daheim wurde ich mit den neuesten Regeln in der Zweizimmer-Wohnung
konfrontiert. Da Pavel auf Unterwasserfischjagd am Dnepr war, wurde es noch
nicht sehr eng. Beide junge Frauen (Sveta und seine Verlobte) schliefen im
elterlichen winzigen Schlafzimmer – fast vom Ehebett ausgefüllt. In einem
freien Eckchen steht das Kinderbett.
Wir haben die Schlafcquch im Wohnzimmer
zur Verfügung und Sohnemann den aufklappbaren Sessel. Hund Kai liegt dort, wo
er Platz findet. Kater Darik ist ausquartiert – zur Mutti der Verlobten.
Unsere organisatorische Entscheidung ist zu
verstehen, wenn man bedenkt, dass Pavel erst gegen 22 Uhr aus Kiew von der
Arbeit kommt (80 km Entfernung) und sich gerne mit Schwester und Braut ein
wenig austauschen möchte. Zu ihrer Mutter zu fahren ist danach wenig angenehm.
Weil relativ weit. Bila Tserkva (Weißkirchen) ist eben mit rund 220.000
Einwohnern doch Großstadt nach deutschem Verständnis. Also rücken wir zusammen
und nehmen gewisse Mehrarbeit und räumliche Enge zeitweilig – über Nacht – in
Kauf.
Weil gewöhnlich dann, wenn besondere Situationen gegeben sind, vom
Schicksal noch Überraschungen dazu kommen, hatte ich eine Aufgabe. Der
Toilettendeckel war beweglich geworden. Ein Befestigungsbolzen zerbrochen. Weil
ich allen Rutschpartien ersparen wollte, wartete ich Pavels Rückkehr nicht ab.
Auch Nataschas Ankündigung, am Folgetag einen Ersatzbolzen zu besorgen,
überhörte ich großzügig. Weil das große
Geschäft „Holzschraube“ für Handwerkerbedarf nahe dem Basar steht, habe ich
Obst- und Gemüseeinkauf für den Winzling und uns vorgeschoben und die
Plastikbolzen unbemerkt geholt.
Als das Werk getan war, wurde ich überschwänglich
gelobt. Wies darauf hin, dass ich kann, was ich will. Nur manchmal die Lust
darauf nicht ausreicht… Wobei das Lob sich nicht auf die einfachen Handgriffe bezog, die jeder Drittklässler ausführen kann, sondern auf die schnelle Beseitigung der Ungelegenheit.
Pavel kam mit einem 3,5 kg schweren Hecht zurück. Welchen
die Frauen in extrem leckere Fischbuletten verwandelten. Flossenansätze, ein
Schwanzstück und die von Fischfleisch noch bedeckte Mittelgräte gaben die Basis
einer schmackhaften Fischsuppe. Für welche ich erneut gelobt wurde.
Weil auch
hier der Herbstwind bläst, werde ich häufig gefragt, ob ich im kurzärmeligen
Hemd nicht friere. Meinen Hinweis auf jahrelanges Abhärten, deshalb frei sein
von Schnupfen und Erkältungen, wird skeptisch akzeptiert. Nur geht es mir gut,
wenn andere zum Arzt laufen. Also bleibe ich dabei.
Bleiben auch Sie
recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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