Doppelseitige Medaille

          Der Sohn meiner Frau und bedingt auch meiner war in Deutschland. Bei seiner Schwester und seinem zukünftigen Schwager. Warum schrieb ich: "...bedingt auch meiner..."? Biologisch habe ich mit ihm nichts gemeinsam - außer äußere Geschlechtsmerkmale. Aber fast 18 Jahre gemeinsames Leben haben Spuren an beiden hinterlassen. Immer dann, wenn die mir nicht besonders gefallen - im Haus zwei Männchen in Konkurrenzsituation um die Zuneigung von Frau bzw. Mutter - formuliere ich "Dein Sohn". Passt mir das Verhalten besser, sage ich eher "Unser Junge".
          Er kam vorgestern in der Nacht zurück und berichtete. War viel Interessantes dabei. Ein Erlebnis schilderte er so lebhaft, dass ich meine, unser Junge hat sich verhalten wie erwartet.
          Kurz nach der Landung in Kiew-Borispol machte sich die Undiszipliniertheit einiger heimischer Fluggäste bemerkbar. Trotz Aufforderung, bis zum endgültigen Stop am Platz zu bleiben, begannen sie, ihr Handgepäck aus den Ablagen zu zerren und sich (wie im Zug auch zu beobachten) in Richtung Ausstieg zu bewegen. Einer dieser "Eiligen" kam nicht recht an sein Gepäck heran und fluchte, an den Vater einer kleinen Tochter gewandt, dessen Sachen ihn störten, ganz übel. Pascha sagte dem Kerl laut: "Hallo du, benimm dich. Hier ist ein kleines Mädchen." "Wer bist du denn?" war die Reaktion. Im Kreis der Reisenden wurde es still. Unser Sohn, aus eigenem Antrieb glatzköpfig, nahm sein Handy und imitierte einen Anruf. Laut sagte er: "Valerij, sag doch den Jungs, dass sie mich am Ausgang treffen sollen. Hier gibt es zwei, denen wir Manieren beibringen müssen." Bis zum Ausstieg war wohltuende Stille - nur der Vater des Mädchens bedankte sich bei unserem Sohn.

          Am Morgen war ich auf dem Basar - Obst, Gemüse, Knochen für Hund und Kater, Brot einkaufen. Auf dem Rückweg kam ich am bereitstehenden Kleinbus nach Kiew vorbei. Eine der Frauen, die gerade einsteigen wollten, sah mich und machte kehrt. Sie rief mich an und kam auf mich zu. Die Mutter einer "Ehemaligen" unseres Sohnes. Sie wollte mir rasch erzählen, dass die inzwischen verheiratete Tochter ein Mädchen geboren habe und sie dorthin fahre, zum Besuch. Ich bat sie, den jungen Eltern meine Gratulation und beste Wünsche für die Familie auszurichten.
          Als ich vor Jahren mich mit beiden - jeweils einzeln - unterhielt, merkte ich, dass sie nie würden miteinander leben können. Sie hatte sich ein wenig "unterbuttern" lassen in der Hoffnung, ihn später etwas umlenken zu können. Als nach zwei weiteren Jahren die Beziehung zu Ende ging, hatte ich mit ihr eine letzte Unterredung. Wir schieden als Freunde. Vor drei Monate traf ich sie, schon mit deutlichem "Bäuchlein". Sie lief auf mich zu, sie umarmte mich wie eine Tochter mit den Worten: "Wie lange habe ich sie nicht mehr gesehen!" 
          Mit ihm war das damalige Gespräch ein wenig anders. Als er die "verlorenen Jahre" beklagte, erinnerte ich ihn daran, dass es in der Beziehung sicher auch Schönes gegeben habe, Sex eingeschlossen, er also Lebenserfahrung gemacht habe. Konnte zu Nachdenken anregen...

          Heute ist unser Hund Kai erstmals seit dem Winter in den Fluss gestiegen. Beginn unserer Badesaison.  Kann man hier sehen: 
http://www.youtube.com/watch?v=GYnFXzZ78BA

          Als ich vom Basar meiner Frau für 30 Eurocent (3 Hrywna) ein Sträußchen Schneeglöckchen mitbrachte, meinte sie: "Jetzt ist der Frühling da!"

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger







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