Gewissen?


Wenn von einer genaueren Konstruktionszeichnung ein wesentlicher technologischer Prozess abhängt, beschafft man sich die heute über das Internet. Vor allem dann, wenn von der einwandfreien Funktion der einzurichtenden Maschine die Produktion eines ganzen Werkteils abhängig ist. Das Vertrauen auf das Internet hat – meist unbeachtet – zwei Folgeerscheinungen als Ergebnis.
Die erste: vor einem Einsatz von Auslandsmonteuren in fernen Ländern lässt nicht selten beim Entsender die Aufmerksamkeit in der Vorbereitung nach. Sollte von dem „Papierzeug“ etwas vergessen sein – Google wird das schon richten.
Die zweite: hat mich gestern vor Schreiben dieses Post`s erwischt. Mein Laptop meldete mir, dass ich nicht auf google.de zugreifen könne, weil laut Meldung ein Hacker versuchte, mich auf eine ähnliche Seite zu locken, um danach auf meinem Laptop etwas von ihm wichtiger Unordnung anzurichten.  Auch auf andere Webseiten konnte ich nicht zugreifen. Der Bursche saß fest vor meiner Tür.

Der Hacker ist gewissenlos. Auf meiner Website und in meinem Laptop sind nur harmlose Informationen zu erbeuten. An der Konstruktionszeichnung aber hing der Verdienst vieler Leute, welche die gewisse Summe Hrywna bei Ausfall der Technik nur schwer verschmerzen können. Hier ist das Sprichwort berechtigt: „Den Löffel braucht man besonders zum Mittagessen.“
Wir haben uns beholfen. Mit einer e-mail-Verbindung über einen fremden Computer. Haben die Zeichnung rechtzeitig bekommen, damit die Technik am Montag voll da ist. Nur: was geschieht, wenn eine solche gewissenlose Ratte die Verbindung in einem lebenswichtigen Prozess unterbricht – z. B. in einer fachärztlichen Konsultation bei einer Operation, von der ein Menschenleben, vielleicht gar ein Kinderschicksal abhängt?

Das ist für mich eine prinzipielle Frage.
Damit will ich keinem „Überwachungsstaat“ die Wege öffnen. Die jener sich selbst sucht und freiräumt, wenn das die Entscheidungsträger wollen. Sondern ich werfe die Frage ethischer Erziehung in einem besonderen Bereich auf. Die vielseitig ist – vom „Das macht man nicht!“ als Belehrung durch die Eltern über „Ich tue so etwas nicht!“ mit persönlichem Beispiel zum „Das sollte auf dich zurückschlagen!“ als Warnung.
Die Rolle der Massenmedien werde ich hier nicht diskutieren. Ich bin mir sicher, dass die Fantasie nicht weniger Drehbuch- und anderer Autoren den raffiniertesten Verbrechern und einigen gewitzten Anleitungen zum Handeln direkt zugeliefert hat. Beispiele großer Raubüberfälle nach Kinoscenarien sind bekannt, andere, kleinere auch.

Noch eine andere Variante staatlicher Kontrolle habe ich heute erlebt. Allerdings mit positivem Vordergrund. Um für die Rückreise nach Kiew eine Fahrkarte zu bekommen, ließ ich mich zum Bahnhof bringen. Dort fiel mir auf, dass die anderen potentiellen Reisenden ihre Ausweise durch das Schalterfenster reichten. Da erschrak ich ein wenig. Meine Frau hatte mir das von dem Kauf der Karte für mich schon berichtet. Wie sie nur durch Beziehungen davor bewahrt wurde, nach Hause kommen zu müssen. Ich hatte zwei Varianten offen: ins Hotel fahren, um den Pass zu holen – oder auf liebenswürdige Frechheit zu vertrauen. Entschied mich aus Zeit- und Kostengründen für die zweite Möglichkeit.
„Ich habe ein Problem und bitte sie um Hilfe. Weil ich Deutscher bin und ihre Gewohnheiten hier nicht kenne, habe ich nur meine EC-Karte mit meinem Namen bei mir. Würden sie mir dennoch eine Fahrkarte verkaufen?“ Die Dame lächelte und nahm die Geldkarte. Auf dem seitlich angebrachten Tableau tauchten langsam die ihr ungewohnten lateinischen Buchstabenfolgen meiner Vor- und Familiennamen auf. Nach deren Prüfung durch mich und der Bezahlung bekam ich Fahr- und Geldkarte ausgehändigt. Erneut mit freundlichem Lächeln – für das ich mich bedankte.

Meinen Kollegen konnte ich erneut ein Beispiel ukrainischer Gastfreundschaft in anderer Form erzählen.

BlleibenSie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





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