Gebissene Zahnärztin...

Das tägliche Leben enthält für mich immer wieder die Überraschungen, welche es interessant machen. 
Da kam vorgestern plötzlich fast schräg über die breite Straße ein weißer Chevrolet-Jeep aus ukrainischer Produktion auf mich zugefahren. Der Lenker hielt an und stieg aus. Einzig zu dem Zweck, sich ein wenig mit mir zu unterhalten. Wir hatten einander schon lange nicht mehr gesehen. Er wollte gerne meine Meinung zur gegenwärtigen Situation erfahren, sich nach meinem Befinden erkundigen, ein wenig von seiner mir bekannten netten Familie erzählen. Und vor allem natürlich auch etwas mit seinem neuen Auto glänzen. 
Nach dieser angenehmen Begegnung folgte fast unmittelbar eine sehr entgegengesetzte. Ein Mann etwa in meinem Alter aus dem Bereich "Straßenbekanntschaften" kam auf mich zu und riß den Arm zum faschistischen Gruß hoch. Mit einem "Chail" dazu, das ich durch Protest und Zwischenruf abbrach. Ich würde ihn doch auch nicht mit einem Lebehoch auf Diktator Stalin begrüßen. Seinen ernsthaft vorgebrachten Kommentar: "Da herrschte noch Ordnung!" hörte ich, als ich ohne in die angebotene Hand einzuschlagen an ihm vorbei weiter ging. 

Am Nachmittag des Tages besuchte ich unsere Zahnärztin, Nachbarin mit ihrer Praxis im Nebenaufgang. Sie bereitete in der linken Oberseite meines Mundes zwei Träger für eine Brücke vor. Als sie mit dem Formhalter für die Abdruckmasse gerade ansetzte, kam eine andere Patientin gleich in die Praxis. 
Sie hatte wie viele andere hier aus - nicht besonders höflicher Angewohnheit auch in anderen Arztpraxen - schauen wollen, ob ein Zahnarzt anwesend war. Allerdings sagte sie nicht nur "Guten Tag!", sondern begann sofort relativ laut zu reden. 
Deshalb verstand ich die Bemerkung meiner Dentistin falsch und biß zu - sie in den Finger, mit welchem sie die Metallplatte andrückte. Sie schrie auf. Sie hätte mir nichts von Zubeißen gesagt. Natürlich wollte ich weder mit der laut störenden Besucherin noch mit der reizenden Ärztin eine Diskussion beginnen, sondern entschuldigte mich für meine "Beißerei" bei der Leidtragenden. Beteuerte, dass das nicht wieder vorkommen werde. 

Heute, zwei Tage später, bekam ich meine Brücke schon eingesetzt. Passt hervorragend. Sie ist von einem ihrer Söhne - Zahntechniker - eiligst angefertigt worden. Denn wir haben zu dieser Großfamilie und Zahnarztgeneration auch gute persönliche Beziehungen. Dass uns diese ausgezeichnete Arbeit nur 2.000 Hrywna oder rund 122 Euro kostete, wird deutsche Leser verwundern. 

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger




  

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