Reise Teil 3

                               Sie begann mit der Rückkehr aus Oberbayern nach Berlin – erneut über einige Brücken mit darunter deutlichem Überflusswasser. Unterwegs fielen plötzlich auch noch alle Anzeigeinstrumente aus, so dass die Fahrt nach dem Prinzip nach Sicht „so schnell wie der Nebenmann“ fortgesetzt wurde. In der Stadt wurden wir gut einquartiert und am nächsten Tag ging es zu einer Feier in den Spreewald. Zum 75. Geburtstag meiner Schwägerin.
                Dabei geschah ein Missgeschick. An einer Tankstelle, wo wir uns auch umgezogen haben, machte wegen einer nicht besonders taktvollen Bemerkung von mir Natascha die Heckklappe etwas impulsiver zu. Das darauf folgende Geräusch ließ uns erstarren. Unser Geschenk, der von einer lieben Freundin angefertigte Mohnblütenstrauß in Seidenstickerei, war hinüber. Rund 1700 km Transport hatte es überstanden. Die „liebevollen“ Bemerkungen meiner Angetrauten lasse ich aus. Eher berichtenswert halte ich die Idee von Pavel, an einem Sonntagmittag in Deutschland eine größere Menge Sekundenkleber zu beschaffen, um etwas zu retten. Nur war das erstens zwecklos – Woher nehmen? – und zum anderen sinnlos, wie die Besichtigung ergab. Die Jubilarin nahm es von der spaßigen Seite.

                Die Erledigung einiger erforderlicher Dinge am nächsten Dienstag in Berlin wurde durch den amerikanischen Präsidenten behindert. Einerseits brachte sein Besuch die Anlieferzeiten eines Unternehmens durcheinander, so dass ich eine bestellte Ware nicht bekommen konnte. Zum anderen standen wir deshalb am Abend nur etwa 30 Minuten vor einer Straßenkreuzung, welche seine Eskorte mit ihm passieren musste. Meine Ukrainer fanden den Zeitverlust sehr geringfügig im Vergleich mit den Behinderungen, welche Sicherungsmaßnahmen bei Staatsbesuchen in Kiew hervorbringen.

                Die Ware aus dem Bereich Gesundheit war bereits bezahlt – wir aber mussten zurück in die Ukraine. Das von  mir schon oft zitierte „Freundschaftsprinzip“ half wieder. Svetlana bat eine ihrer slawischen Freundinnen, wir brachten dieser die Quittung – die Elastikhose wurde nach deren Eintreffen abgeholt und aufbewahrt. Bis zum dem Tag, wo sie an den Empfänger würde übergeben werden.

                Als wir bei der Rückfahrt die polnische Grenze überfahren hatten und kurzzeitig über Kopfsteinpflaster rollten, wirkte das sowjetische Reparaturprinzip für Fernsehgeräte: bei Ausfall des Bildes wurde ehemals heftig mit der Faust auf das Gehäuse geschlagen – dann war meistens das Bild wieder da. Unsere Instrumente zeigten wieder an – bis nach Hause.

                An der polnisch-ukrainischen Grenze wollte meine Gute nicht warten – wir waren müde. Also ordnete sie unser Auto mit ukrainischem Kennzeichen dort ein, wo wenige Fahrzeuge aus der EU standen und zeigte bei der erstaunt-kritischen Kontrolle zuerst meinen deutschen Reisepass. Der Trick klappte. Wir gewannen etwa eineinhalb Stunden bei der Abfertigung.
                Die Übernachtung in Kovel, die Reise über Kiew nach B. Z. – nichts besonders Aufregendes. Das kam zwei Tage später.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger






Reise Teil 2

Hier schreibe ich über den besonderen Eindruck eines Morgenspaziergangs bei gutem Wetter in dem oberbayrischen Dorf, wohin es unsere Tochter verschlagen hat. 
Das erste: obwohl hier mehr als 6000 Menschen leben, ist es üblich, den Spaziergänger höflich zu grüßen. Das ist angenehm, heimelig. Für jeden, der die Unpersönlichkeit der Großstadt als eine Art psychologischer Leere empfindet.
Besonders angenehm waren für mich als etwas der Natur verhaftete Person die vielen großen Bäume, welche in und neben den meist aufgeräumten Höfen vorhanden sind. Darunter viele Nadelbäume, aber auch Laubbäume mit rotbraunen Blättern, sehr dekorativ in ihre Umgebung von unterschiedlich getönten grünen Bäumen und Sträuchern.
Wie wir manchmal eigenartig reagieren, wenn wir etwas Bestimmtes erwarten: unter einer Klingel neben der Haustür das Wort „Männer“. Sofort suchte ich die zweite Klingel für die Frauen, bis es bei mir dämmerte, dass die Familie sicher MÄNNER heißt.
Dann kam ich – etwa 150 m entfernt von allen Anwesen – auf einem Feldweg an etwas dort doch sehr Merkwürdiges: ein Hundeklo. Mit einem putzigen Spruch: „Damit die Umwelt schmuck und rein, tu den Hundekot hier rein.“ Im Oberteil – von Vögeln reich beschissen – der Behälter mit den Beuteln, darunter etwas weniger verunreinigt der eigentliche Kasten. Für mich war das alles wirtschaftlich nicht nachvollziehbar – lasst doch die Hunde sich dort ausmisten… oder geht das um den Gewöhnungseffekt bei Frauchen/Herrchen?
Bevor ich in den gut bewirtschafteten und doch recht alten Mischwald kam – wieder eine Besonderheit. Ein Gehege mit afrikanischen Schafen und einem Ziegenbock aus der Region. Ein junger braunroter Widder drängte sich regelrecht unter meine Hände, um gekrault zu werden – die anderen waren etwas zurückhaltender. Und drei Fotos – schon etwas älter. Mit Erläuterungen darunter zu Schafen und Ziegen – und dem Bild einer Schiege, dem Bastard von einer Schafdame und dem Ziegenbock. Alle drei offensichtlich nicht mehr in der Herde. Zumindest konnte ich sie nicht erkennen. Im Internet fand ich später die Bestätigung, dass eine solche Kreuzung möglich ist.

Es gibt sie in unserer Umgebung, die besonderen Erlebnisse im großen ERLEBNIS LEBEN.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr


Siegfried Newiger 





Reise Teil 1

          Wir hatten alles gepackt und waren, um Strecke zu sparen, trotz Warnung den gewohnten Weg gefahren – eine sonst recht brauchbare Abkürzung. Allerdings hatte auf ihr der vergangene Winter solche Spuren hinterlassen, dass wir uns nach etwa zwei Stunden Slalom darüber ärgerten, nicht den weiteren Umweg über Kiew nach Warschau gewählt zu haben. Dafür entschädigte die neue Trasse – von der Oberfläche fast wie eine gute deutsche Autobahnstrecke. 
          Der Grenzübergang geschah rasch – wer aus der Gegend um Kiew kommt, selten durchreist und immer diesen Weg wählt, kommt bei normaler Belastung der Kontrollierenden recht zügig auf die andere, in diesem Fall polnische Seite. Auch dort wird man ein wenig wie ein Bekannter behandelt. Angenehm, es erspart viele der sonst üblichen Prozeduren. Die erforderlich sind, um Schmuggel einzudämmen. 
          Weil wir dieses Mal zuerst nach Bayern wollten, entwickelte sich die Diskussion um die günstigste Streckenführung. Ich hatte vorgearbeitet – das Blatt mit den im Internet ermittelten Orten lag vor. Allerdings führten die fleißigen polnischen Straßenbauer und der überkritische Stiefsohn meine Vorüberlegungen etwas in die Irre. Wir fanden den Kompromiss und ein preiswertes Nachtlager, obwohl die Angebote am Weg für deutsche Begriffe sowohl gut als auch ihr Geld wert waren. Aber eine sparsame Ukrainerin hat immer die Hoffnung, noch etwas besser hinzukommen – was auch klappte. 
          Am darauffolgenden Morgen kamen wir rechtzeitig auf den Weg, an eine Tankstelle mit dem preiswertesten Autogas der Reise und an ein Cafe, in dem außer den Getränken auch noch die typische schmackhafte Kuttel- oder Kaldaunensuppe verkauft wurde – Flaki (aus dem zotteligen Wänden des Labmagens von Rindern, dem Pansen). Hier höre ich regelrecht den Aufschrei: „Wie kann man so etwas essen!?“ 
          Das erinnert mich an die Brüder Humboldt, nach denen die bekannte Berliner Universität benannt ist. Auf ihren Reisen durch Mexiko kamen sie auch einst zu einem Stamm im Urwald, welcher seinen Gästen geröstete Engerlinge (große weiße Maden) anbot. Die Humbolt´s aßen – ihre Begleitung hielt sich zurück. Auf die Frage nach dem Grund dieser Handlung soll einer der Brüder sinngemäß so geantwortet haben. „Die Leute leben unter anderem davon. Wenn sie das ihren Gästen anbieten, dann mit offenen Händen und Herzen. Wir nehmen das dankbar an. Dieses tierische Eiweiß schmeckt nach gerösteten Nüssen.“ 
          Auch deshalb genießen diese Forscher in Mexiko besondere Anerkennung. Beide verhielten sich wie echte Wissenschaftler, interessiert an allem Neuen – nach einem Wort von Aristoteles (vor etwa 2200 Jahren formuliert) – „Der Beginn aller Wissenschaften ist das Erstaunen, dass die Dinge sind, wie sie sind.“ Also ganz im Gegensatz zu vielen Deutschen und Ukrainern – für erstere ist die Bockwurst und für die anderen der Borscht der Inbegriff für etwas ohne Vorurteil Essbares. Jedoch: nur wer im positiven Sinne neugierig ist auf Neues, kann überall auf der Welt kulinarische Überraschungen erleben. Die Frage ist: will sie/er das? 

          Als wir auf der kostenpflichtigen Autobahn an einem Rastplatz von einer schmucken Polin in Uniform herausgewinkt wurden, um Pässe und Führerschein zu kontrollieren, war genügend Zeit vergangen, um sich einen weiteren Kaffee (Tee) zu gönnen und auch den vorherigen herauszulassen. Wir – Natascha und ich – bemerkten, dass offensichtlich die Stichpunktkontrollen auf polnisches Territorium vorgezogen worden waren. Vergangenes Mal hatte man uns in der Nähe von Bautzen „geschnappt“, mit an die Talsperre zum gefahrlosen Halt zu fahren veranlasst und sich gewundert, dass ich in dieser schon vor mehr als 30 Jahren meinen bisher größten Hecht gefischt hatte – etwas über 6 kg schwer. 

          Unter den von uns befahrenen Flussbrücken sahen wir dieses Mal die sehr dunklen, schmutzigen Wassermassen und bekamen eine bei uns aufkeimende Ahnung von dem, was als vorerst größtes Jahrhunderthochwasser eingeschätzt wurde. 
          Die Klinik am Ostrand Münchens fanden wir dank Navigationshilfe „Mascha“ (unser Kosename) rasch und kamen auch zeitlich zurecht, unsere Tochter Svetlana noch vor der Nachtruhe zu besuchen, weil sie wegen einer kleinen Operation dort lag. 
          Zwei nicht besonders aufregende Tagereisen. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





Du brauchst...

          Wieder einmal war ich als Dolmetscher für ein mittelständisches deutsches Unternehmen nach Lugansk gebeten worden. Weil aber die Arbeitsgruppe vorwiegend handwerklich tätig war, musste der Maulwerker Dolmetscher gleichzeitig als Protokollant, Koordinator und Kaffeekoch wirken. 
          Das Kaffeewasser bereiteten die ukrainischen Maschinenarbeiter aus der Werkhalle auf - mit den unterschiedlichsten Wasserkesseln. Aber alle waren bereit, uns für den Muntermacher die kochende Flüssigkeit zu spendieren. An einer Stelle war das besonders nett. Wenn ich mich vorher informiert hatte, dass Wasser aufgesetzt worden war, brachte man mir das im  Kocher zu unserem Arbeits-Kaffeetisch. 
          Einmal riß ein Kollege in seinem Eifer seinen Kaffeebecher mit einem speziellen Emblem (vielleicht Fußball-EM vom vorigen Jahr) herunter. Ich versprach ihm einen neuen und habe mein Wort gehalten - was mit Achtung honoriert wurde. Keine besondere Ausgabe - aber Wort halten gilt etwas unter rauhen Männern...

          Am Sonntagabend (02. Juni 2013) hatten mich meine neuen Lugansker Freunde zum Schaschlik in ihrem Garten eingeladen. Xenia erzählte mir nach der Begrüßung sofort, dass ihre schmucke Rassekatze auf der soeben beendeten internationalen Rassekatzenausstellung drei Preise gewonnen habe - ein Grund zum Feiern. Von den anderen Gästen, einem Tierarztehepaar, erfuhr ich einige interessante Sachen aus dem Leben der Haustiere und ihrer Heiler. Der Abend war schmackhaft und interessant.

          Am darauf folgenden Mittwoch gab gegen Mittag mein Laptop scheinbar seinen Geist auf. Sein Bildschirm wurde schwarz und blieb das trotz aller Bemühungen. 
          Von meinen armenischen Bekannten, welche mir schon einmal bei Winterkapriolen geholfen hatten, bekam nach Anruf eine Adresse, die Telefonnummer dazu. Allerdings war der Meister nicht da, sondern bei einem Kunden. 
          Also rief ich bei Xenia an - der Sohn der Familie hat eine mit PC-Einsatz verbundene Arbeit. Sie rief nicht zurück, sondern ihr Mann Wadim. Der hatte uns schon bei einem ihm bekannten PC-Spezialisten angemeldet. Er kam mit seinem Auto, holte mich am Werk ab. 
          Hier lasse ich einiges aus. Nur: lassen Sie ihren Laptop möglichst einmal im halben Jahr durchsehen - so wie regelmäßiger Ölwechsel am Auto. nach etwa 20 Minuten hatte ich mein Prachtstück funktionstüchtig wieder. Ohne einen Cent zu bezahlen.

          Wie heißt es bei den Slawen: "Du brauchst keine 100 Rubel, wenn du 100 Freunde hast!" Hat sich bei mir nicht das erste Mal bewahrheitet. Mit echten Freunden.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger