Positive Verspätung



Es erfolgte eine erdenklich gründliche Vorbereitung für mich als Patienten eine Woche vor der Einweisung in das Krankenzimmer der Klinik. Dr. Meyer übergab mich nach freundlicher Begrüßung seinen Assistenten. Auf meine wenigen Fragen bekam ich sachkundige Antworten. Am 27. August 2015 war es so weit mit dem Einzug ins Krankenzimmer, das ich mit einem anderen Berliner teilte – am Tag vor der OP. 
Meinen Nachbarn sah ich nicht sofort – er kam erst gegen Abend samt Bett hereingerollt, weil seine Aufwachphase nach der Hüftoperation in einem anderen Raum beobachtet wurde. 
Mir wurde gesagt, dass ich der Erste am folgenden Tag sei – also um sechs Uhr aufstehen und mich duschen sollte. Das tat ich am nächsten Morgen auch, zog das hinten offene OP-Hemd an, schluckte folgsam die Beruhigungstablette und wartete. 
Plötzlich kam eine Schwester. „Sie haben doch einen Schrittmacher. Das hat jemand vergessen. Deshalb sind sie erst als zweiter dran. Vorher muss das Gerät bei ihnen umgestimmt werden.“ 
Also auf einen Rollstuhl und ab in die Kardiologie. Dort stellte sich heraus, dass eben für meinen Peacemaker nicht das erforderliche Prüfgerät zu Verfügung stand. Oberarzt Dr. F. hatte mir also vor Jahren keinen Allerweltsschrittmacher eingepflanzt! Nur stand der jetzt der vorbereiteten OP im Wege – der Grund zur Freude und jener zum Ärger überlappten sich. 
Der herbeigerufene Oberarzt machte dem winzigen Aufruhr ein Ende. Denn ich hatte den Dokumenten auch das Prüfprotokoll vom April 2015 beigelegt. Der Fachmann konnte ihm entnehmen und mir beruhigend mitteilen, dass ein OP-Risiko ohne Umstimmung des Schrittmachers sachlich ausgeschlossen sei. Mir war das recht und wegen der LMAA-Tablette auch fast egal. 
Nach Rückkehr auf die Station nur kurzes Abwarten – dann rollte das Bett vor den Anästhesieraum. Umstieg auf eine rollbare Liege. Die beiden maskierten Damen in dem Raum empfingen mich nach Vorstellung mit der Frage: „Sind sie aufgeregt?“ Unhöflich – ja, ich weiß – antwortete ich mit der Gegenfrage: „Nein – aber ist das eine Voraussetzung für die OP?“ Wir hatten sofort einen sehr gelockerten Kontakt miteinander. Jede Handlung an mir wurde vorher angekündigt und begründet. Sehr angenehm für mich – auch wenn einzelne Empfindungen durchaus unangenehm waren. Der Einstich der Spinalanästhesie zum Beispiel. Als letztes: „Nun ein leichtes Schlummermittel und die Kopfhörer mit gewünschter Musik.“ Es erklang „Ombra mai fu“ aus „Xerxes“. 
Die Tür zum OP-Saal ging auf. Der ebenfalls maskierte Chef fragte: „Na, dann wollen wir mal?“ Ob ich das nur vorhatte oder wirklich antwortete: „Hängt denn das noch von mir ab?“ – das weiß ich nicht. Lediglich der erste Eindruck nach der OP ist deutlich. „Alles in Ordnung – auch wenn es ein wenig Mühe gekostet hat.“ Mit diesen Worten verabschiedete mich Dr. Meyer aus dem OP-Saal direkt in unser Zimmer. 
Einer der mir bekannten Vorteile der spinalen Betäubung: außer dass der eigene Kreislauf geschont wird, ist man nach der OP fast sofort wieder „voll da“. 
Am Nachmittag schaute der „Chef“ nach den „Neuen“. Die Anrede „Wie geht es ihnen?“ unterschied sich wohltuend von der anscheinend jovialen Formel, die aber sachlich unsinnig ist „Wie geht es uns denn?“ Diese persönlich wohltuende Hinwendung zum jeweiligen Patienten blieb erhalten, bis wir entlassen wurden. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger






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