Am 31. Januar d. J.
traf ich eine Frau, von der ich vor längerem angesprochen worden war. Diese
Natascha ist Kesselwärterin im Heizhaus unseres Stadtbezirks und freute sich,
mit mir wieder ein wenig plaudern zu können. Sie freue sich auch darauf, bald
in Rente zu gehen. Als ich ihr überzeugend darlegen konnte, wie grundsätzlich
langweilig dieser „verdiente Ruhestand“ ist, lächelte sie. „Mich plagt gewiss keine
Langeweile. Ich war Modellschneiderin. Werde den Frauen, die sich teure Mode
nicht leisten können, zauberhafte Sachen anfertigen. Meine Freude an ihrer Zufriedenheit
haben und meine Rente etwas aufbessern.“ Also auch hier gibt es Personen, die
nicht nostalgisch in die Vergangenheit, sondern träumend nach vorne schauen.
Als ich an dem Tag
heimkam und wie gewohnt in meinen täglichen Apfel biss, knackte es kurz und ein
fester Fremdkörper mischte sich unter das noch grobe Apfelmus. Der zweite
Schneidezahn oben links war abgebrochen. Von meiner Zahnärztin, der resoluten
Mutti von drei wohlgeratenen Söhnen und humorvollen Fachfrau bekam ich
telefonisch einen Termin am ersten Februar. Ihre Diagnose: die Zahnwurzel ist
in Ordnung – wir werden einen Stiftzahn einsetzen. Erledigte sofort alle
Vorarbeiten.
Am frühen Morgen
des zweiten Februar ein Anruf aus Russlands. Die erste Frage, ob Jewgenij mich
geweckt hätte. Dann zu einigen persönlichen Dingen und am Ende zur Sache. Ob ich
mit meinen freundschaftlichen Beziehungen zum Geschäftsführer eines bestimmten
mittelständischen Unternehmens nicht helfen könne, etwas rascher einen
Supporteinsatz zu organisieren. Das Unternehmen in Samara, das seinem Bruder
gehört, hat einige Probleme mit der vor Jahren gelieferten Spezialmaschine aus
Deutschland. Wir besprachen das weitere Vorgehen, verabschiedeten uns. Trotz längerer
Pause in den direkten Beziehungen – angenehm, gebraucht zu werden.
Wenn man morgens
aus dem Haus kommt, als erstes fast eine Pirouette dreht, weil die Stufen zum
Bürgersteig extrem glatt sind, wird man sofort endgültig munter. So war das am dritten
Februar diesen Jahres. Der Eisschneepanzer des Bodens wurde mit feinem
Nieselregen benetzt. Welcher sich sofort in einen dünnen Glatteisfilm verwandelte.
Der vorausgeeilte Hund bekam kaum die auseinanderstrebenden vier Pfoten unter
Kontrolle. Auch ich hatte arge Probleme, Nach etwa 50 m Schleichglitt in circa
20 Minuten beendete ich die risikoreiche Aktion. Der Hund war es auch
zufrieden. Auf der Straße einige seltene Autos. Wenn sie bei geringen
Geschwindigkeiten bremsten, schlingerten sie regelrecht. An dem Tag hätte ich
kein Busfahrer oder Fernfahrer sein mögen. Abends aßen wir die letzten vier
Scheiben des Brotes, das wir noch hatten.
An einen Einkauf war nicht zu denken. Als meine Zahnärztin anrief, weil der
Ersatzzahn von ihrem Techniker bereits fertig gemacht war und sie mich in 20
Minuten versorgen könne, musste ich absagen. Das Risiko eines Sturzes auf dem
Weg zu ihr wollte ich nicht eingehen. Wir verabredeten uns für den 06. Februar.
Als am späten Nachmittag
nochmals das Telefon klingelte, war ich erstaunt. Denn am anderen Ende sprach der
Chefarzt eines recht soliden Ärztehauses in Kiew. Den hatte ich zwar in guter
Erinnerung, nachdem seine Spezialisten mit mir einen exzellenten Check
durchgeführt und wir uns sehr angeregt zu vielen Themen ausgetauscht hatten. Aber
ich konnte den Zeitplan eines solch verantwortlich Tätigen doch nicht bestimmen.
Also war es etwas sehr ruhig geworden. Er würde sich freuen, wenn wir die Beziehung
erneut aufleben lassen würden. Die 17 Minuten Gespräch waren sehr erfreulich.
Wir werden uns wieder sehen.
Heute nun kam ein
etwa 50-jähriger auf mich zu, grüßte in Deutsch mit starkem Akzent. Stellte sich
als Vitalij vor. Er sah mein Erstaunen. „Ich habe vor einigen Monaten mit ihnen
in der Frühe geredet. Wollte wissen, ob sie wirklich Deutscher sind und hier
leben.“ An die Situation erinnerte ich mich. Wir sprachen etwas miteinander. Er
bewunderte den gut erzogenen Hund, der ruhig neben mir saß. Verabredeten, dass
wir bei besseren Wetterbedingungen bei einem Treffen mehr miteinander reden
werden. Auch eines von den angenehmen Erlebnissen…
Bleiben Sie recht
gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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