Abenteuer des Schienenstrangs 2012 ...

        Der Post muss einmal etwas anders beginnen.  Mit einem Strauß Herbstblumen. Gepflückt und geschnitten am 1. Oktober. Zum Geburtstag meiner Natascha. Deshalb wurde das ein Morgenspaziergang von etwas mehr als 10 Kilometern. Weshalb sie diese Blumen verdient hat, folgt später ... Das alles begann schon zwei Wochen davor. 


         Als ich am 12. oder 13. September verschwitz vom Spaziergang kam und über Skype angerufen wurde, blieb ich anschließend vor dem offenen Fenster am PC sitzen. Dumm, absolut dumm! Allerdings kam das dicke Ende später ... Dass sich etwas Unangenehmes im Körper zusammenbraute, war zu ahnen. Meine Gute gab mir gegen das Vorgefühl eine Medizin, die das Ahnen versiegen ließ.

        Am 15. September musste ich nach Berlin. Weit über ein Jahr hatte ich mit russischen Interessenten "geackert", um sie von einer effektiven Technologie zu begeistern. Die Verhandlungen sollten ihrem Ende zugehen - mit sehr eindeutigem Ergebnis für beide Seiten. Diesmal war ich "nur der Dolmetscher. Aber eben unbedingt erforderlich.

        Um 08.15 Uhr in der Frühe Abfahrt vom Hauptbahnhof in Kiew. Außer dem schweren  Gepäck war auch "es" wieder da - das unangenehme Vorgefühl. Allerdings keine Arznei.
        Etwa 20 km vor dem vorletzten Halt auf ukrainischem Boden musste ich zur Toilette. Zurück im Abteil, stolperte ich über ein Paar Schuhe. Dass mein kaputtes linkes Knie höllisch schmerzte und die junge Nachbarin mich aufheben wollte - das war alles, was ich erinnere. Dann erwachte ich auf der Tragbahre, mit der ich ins Fahrzeug der "Erste Hilfe" geschoben wurde.
        Gepäck, Dokumente, Portemonnaie - war mir alles egal. Allerdings waren alle Sachen und sogar die Fahrkarte da, die gewöhnlich bis zum Ausstiegsbahnhof der Schaffner behält, vollzählig, wie sich später zeigte ...
        In dem "Eisenbahnkrankenhaus" mit den zu vielen Schwellen für den ungehinderten Zugang der rollenden Trage ein sehr besorgter Empfang, als nach dem Fiebermessen das Ergebnis bekannt wurde: 39,7 Grad!
        Der etwa gleichaltrige diensthabende Arzt stellte nach zirka 30 Minuten die Diagnose: Lungenentzündung. Antibiotika, sofortige Bettruhe. Ich machte - trotz sehr netter und sogar ansehnlicher Krankenschwestern die Augen zu. Nach drei Stunden die wenig nette Stimme Nataschas aus dem Handy: "Bist du schon in Polen?" Auf meine Antwort beredtes Schweigen. Dann die Entscheidung: "Ich komme morgen mit dem Auto, weil du unbedingt nach Berlin musst. Nehme Tanja mit - sie hat ein Visum. Wir fahren gemeinsam. Ob du dort übersetzt oder ins Krankenhaus musst, entscheidet dein Hausarzt. Gute Nacht!"

        Am folgenden Morgen die Information: "Wir sind schon in Kovel, holen dich gleich ab." Mit Sohn Pavel als zweitem Fahrer waren sie bei Nacht und Regen die mehr als 500 km gefahren, hatten ihn in den Zug nach zuhause gesetzt uns standen bald vor mir.
        Die Frage des Arztes, ob sie eine Spritze mit Antibiotika setzen könne, wurde mit fast sadistischem Grinsen bejaht.

        Kurz: die Reise mit auf Rezept gekauften 5 Spritzen und dazu Ampullen ging los.

        Dieser Post ist auch mein Dank an die um Patienten besorgten und fachlich wie menschlich  qualifizierten MitarbeiterInnen des Eisenbahnkrankenhauses in Kovel!

        Nach nur 3 Stunden Schlaf fuhr meine liebe Natascha die fast 1000 Kilometer nach Berlin - nicht, ohne mir zur rechten Zeit meine Spritze zu verpassen ...
        Die beiden Damen fuhren, beruhigt durch meinen Hausarzt, zwei Tage später gemeinsam heim.

        Weil ich mich abhärte und bemühe, kaum Medikamente zu schlucken, haben diese bei Anwendung wie in diesem Fall die erwünschte Wirkung. Auch die aus der Ausbildung in "erster Hilfe" vorhandenen Kenntnisse halfen mir, die restlichen Injektionen intramuskulär selbst in den Oberschenkel zu platzieren ...

        Meine Aufgabe konnte ich erfolgreich erfüllen, die Nachkontrolle beim Hausarzt nach einer Woche ergab:  gesund. Dazu der Rat: mit deinen 75 Jahren solltest du etwas kürzer treten. Auch, damit deine prächtige Frau noch lange mit dir leben kann ...

        Was ich versprochen habe. Nur: das Temperament ...

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger


P. S.

        Wieder daheim, wurde versucht, mit einem negativen Beispiel mich "umzuerziehen". Denn ich hatte die Bemühungen der Personen im Schnellzug Kiew-Berlin und des medizinischen Personals um mich in Kovel sehr verdient gelobt. 

        Das Gegenargument: in Kiew hat in einem Elektronik-Supermarkt soeben ein Verbrecher lediglich wegen eines elektronischen Speicherelements 3 Wachleute erschossen und den vierten Mitarbeiter schwer verwundet. Wenn du an solchen gerätst?

        Ja, die Welt ist vielfältig. Das weiß ich sehr wohl. Ich freue mich deshalb vor allem an guten Menschen und an guten Nachrichten. Das hilft mir, besser zu leben!

S. Newiger



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