Überraschung zum Geburtstag

          Wir waren im Marschrouten-Kleinbus unterwegs, zum 60-en Geburtstag des "kum" Mischa - auf Deutsch von Vetter Michael. Rund 90 km entfernt von Belaja Zerkov, in Rschitshew, am rechten Ufer des Dnepr gelegen.  Wir hatten noch einige Kilometer zu fahren, als mein Handy Signal gab. Klingeln ist der falsche Ausdruck - es sind ja melodischere Töne in Mode. Am etwa 1500 km entfernten Ende in Deutschland ein Freund und Unternehmer. Nach der Vorstellung die Frage: "Bist du gesund?" Scherzhaft: "Dank deiner Gebete ja." "Bist du frei verfügbar?" "Gefechtsbereitschaft Nummer 1!" "Dann brauche ich dich morgen in Lugansk!" 
          Da musste ich schlucken. Selbst wenn wir auf dem Hacken kehrt machen würden - in Kiew ein Ticket zu bekommen und bis zur Abfahrt des Zuges vom Kiewer Hauptbahnhof in das fast 700 km entfernte Lugansk zu kommen - ohne Hubschrauber unmöglich. Kurze Schilderung der Situation. Der dort angereiste Meister musste, weil der Konstrukteur mit russischen Sprachkenntnissen am Vortag dringend zurückgerufen wurde, sich einen Sonntag allein beschäftigen.

          Die Entscheidung wurde vertagt. Aber nach einer halben Stunde telefonisch bestätigt. Anreise Montag morgens um 08 Uhr. Natascha bewies erneut organisatorisches Supertalent.   Weil Sohn Pascha nicht erreichbar, wurde seine Freundin alarmiert, welche auf Arbeit war, aber eine dritte Person anrief und mit meiner Frau verband. Für mich wurde das entsprechende Ticket besorgt.

        Die Feier in kleinem Kreise mit 14 Personen wurde sehr gemütlich. Aus mehreren Gründen. Der Trinkspruch des Schwiegersohns beispielsweise. 
          "Michael Jakowitsch, wir gratulieren ihnen zum 180-en Geburtstag. Denn sie sind mit meiner Schwiegermutter verheiratet - da zählt ein Jahr für drei. Aus dieser Mischung ist meine Frau entstanden. Deswegen altere ich jedes Kalenderjahr um fünf Lebensjahre." Homerisches Gelächter der anwesenden Gäste - Schwiegermama eingeschlossen. Die guten Wünsche sind selbstverständlich, deswegen übergehe ich sie hier.
          Mein Tost: "Mischa, als ich im Sommer früh mit dem Hund spazieren ging, stand ein Mann mittleren Alters im Wasser, umarmt von einer üppigen Blondine. Sie küssten sich ganz selbstvergessen. Was Kennzeichen in seiner Badehose hervorrief. Ich ging rasch vorbei. Beim Abendspaziergang stand der selbige Mann wieder im Wasser, in den Armen eine schlanke Brünette. Mit der er sich leidenschaftlich knutschte. Als ich am nächsten Morgen an gleicher Stelle vorbeikam, hielt er eine Rothaarige umarmt. Wie die Frauen doch wechselhaft sind! Ich trinke auf unsere männliche Beständigkeit!"

          Dann ging das elektrische Licht aus. Noch heute auf dem ukrainischen Lande nicht eben selten. Aber elektronische Geräte mit Batterien halfen über die Zeit, in welcher die Musikbox schweigen musste. Kinder und Schwiegerkinder hatten sich intelligente kleine Spiele ausgedacht, an denen alle teilnahmen. Essen und Trinken waren reichhaltig und schmackhaft. Insgesamt ein gelungenes kleines Fest.

          Leider konnten wir am "Frühstück" - meine Mutti nannte das "Resteessen" - nicht teilnehmen, das gewöhnlich nicht weniger lustig ist als die Feier selbst. Wir mussten, um die Reise nach Lugansk zu schaffen, schon in aller Frühe aufstehen und heimfahren.
          Als wir beim obligatorischen Tee saßen, bekam eine Freundin der Familie einen Anruf. Von ihrem Sohn. Sie musste sich setzen und wurde kalkbleich. Sein bester Freund, Sohn einer guten Bekannten, war in der Nacht überraschend gestorben - nur 17 Jahre alt.

          So ist unser Leben. Der Tod immer daneben. Heute, da ich die Erinnerungen zum Geburtstag  schreibe, bekamen wir die Nachricht, dass "Tante Mascha", von der ich im Post "Noch leben" am 23.11.2012 in diesem Blog schrieb, heute Nacht für immer eingeschlafen ist. 
          
          Wir werden uns mit Ihnen gemeinsam über jeden Tag freuen, an dem wir aufwachen und gesund sind. Versprochen?

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger






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