Biberschreck



Das war schon vor zehn Tagen. Unser Sohn – genauer mein Stiefsohn – hatte einen freien Tag. An dem er natürlich sein Steckenpferd sattelte – ging auf Tauchtour. Ohne die „schwere Ausrüstung“. Er taucht nur mit Schnorchel. Aber mit Harpune. Mutter – als Kraftfahrer – und Sohn kehrten ungewöhnlich früh ohne Beute zurück. Pavel sagte nur kurz: „Keine Fische, dafür ein Biber.“ Dann waren beide rasch irgendwohin verschwunden. Erst spätabends erfuhr ich Näheres.
Als Pascha sich einer Höhlung näherte, in welcher er schon mehrfach recht gute Welse „aufgestöbert“ hatte, schoss aus dieser unvermutet ein kräftiger Biber mit gefletschten Zähnen auf ihn zu. Der Taucher erschreckte sich deswegen so, weil er seine Waffe nicht benutzen konnte – er hatte sie nur des versunkenen Geästs wegen kurzzeitig an den Körper gepresst. Wer weiß, dass ausgewachsene europäische Biber länger als 80 cm werden und bis zu 30 kg wiegen können, mag sich die Situation ausmalen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die „Höhle“ einer der Unterwasser-Eingänge der Biberburg. Unser junger Mann bekam nach dem Schreck eine Bluthochdruck-Attacke, wegen welcher er die Jagd abbrach und mit Mutti nach dem Umziehen in die Poliklinik fuhr.

Als mich heute Nacht gegen 03.30 Uhr der Blasendruck zur Toilette zwang, lag bei Rückkehr meine Gute mit ihrem iPhone wach und lachte. Sie erzählte mir die folgende Geschichte. Da lachte auch ich – und gebe diese weiter. Vorab: eine kleine aktuelle Sache regte das an. Denn auch das ist Ukraine.
Als ich beim Morgenspaziergang sah, wie ein Kleinbus der Linie 25 ganz unplanmäßig an unserer Kreuzung vorbeifuhr, später etwa 150 m weiter einbog, in der Alleemitte anhielt und dann zurück in unsere Straße fuhr, wurde ich neugierig. Denn unsere Freundin, die Verkäuferin Olga aus dem Kiosk, war ausgestiegen. Ich begrüßte sie und fragte, ob das die neue Fahrstrecke der 25 sei. Sie antwortete, dass eine ältere Frau mit Gepäck den Fahrer gebeten hatte, sie doch an der nächsten Kreuzung aussteigen zu lassen. Er tat ihr für ein Dankeschön den Gefallen.

Nun zu der „Nachtgeschichte“. Es ist nötig zu wissen, dass hier einige Fahrer von Kleinbussen erst beim Ausstieg kassieren. Für die wirklich zurückgelegte Strecke.
In einen Kleinbus mit Endziel Lvov (Lviv, Lemberg) war in den Morgenstunden eine bejahrte Frau eingestiegen. Sie bat den Fahrer: „Söhnchen, wenn ich einschlafe und wir kommen nach Morshin, wecke mich bitte.“ „Wird gemacht, Oma.“ „Vergiss das bitte nicht.“ „Aber nein, auf keinen Fall.“ Natürlich vergaß der Fahrer das. Aber an der nächsten, etwa 10 km entfernten Haltestelle, fiel ihm die Oma wieder ein. Also wendete er (!) und fuhr nach Morshin zurück. „Hallo Oma, aufwachen, zahlen und aussteigen. Wir sind in Morshin.“ „Ich fahre nach Lvov. Weil ich keine Armbanduhr habe, riet mir die Tochter, meine Tablette einzunehmen, wenn wir in Morshin ankommen.“ Die anderen Passagiere sollen gelacht haben – nicht geschimpft. 

Auf dem Restweg nach Hause kam uns ein Herrchen mit schwarzem Zwergschnauzer entgegen. Ich kommandierte: „Kai, lass das Hündchen.“ Unser Spaniel geht dann vorbei, als ob es den Hund nicht gibt. Aber das putzig aussehende Tierchen war damit nicht einverstanden und strebte zu unserem friedlichen Rüden hin. Das Herrchen ließ auch die Leine locker. So wurde unser bejahrter Rüde Ziel einer unerwarteten friedlichen Attacke durch einen Hundezwerg, die er mit stoischer Ruhe über sich ergehen ließ.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger








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