Die Brücke

        In der Ukraine, in der ich lebe, sagen viele Bürger, sie wäre "das Land der Wunder" - strana tschudes. Eines habe ich soeben erst erlebt. Den Wechsel von Ansichten und Herangehen an Probleme.

        Vor Jahrzehnten gab es an der Stelle, wo heute eine Holzbrücke über den Fluss Ros führt, eine bescheidene Fähre. Wie erzählt, eine Dienstleistung zu geringem Preis und nur mit dem Risiko, dass aus der Vorstadt ins Zentrum bei mittlerem Frost keine Verbindung bestand. Oder, wenn der "menschliche Faktor" das verhinderte.

        Mit Verlegung eines Pioniertruppenteils der sowjetischen Armee nach Belaja Zerkow gab es eine einschneidende Veränderung. Niemand kann genau sagen, wer die Idee hatte - aber sie zündete. Als ständiges Übungsobjekt wurde beantragt und genehmigt - der Bau einer Holzbrücke. Die konnte vor bestimmten Aufgaben in Manövern ohne großen Aufwand ein wenig oder mehr beschädigt werden - und die neuen Rekruten bekamen etwas zu tun bei der Wiederherstellung nach Norm. Alle Seiten waren das zufrieden. Vor allem die Bürger der Siedlung am anderen Ufer.

        Dann zerfiel die Sowjetunion. Die unabhängige Ukraine musste ihre Armee neu ordnen. Dabei spielte eine Holzbrücke keine Rolle. Der "Pflege-Truppenteil" verließ die Stadt. Die Brücke verkam.


        Auf obigem Schild von 2004 wird den Bürgern Fußgängern die Schließung des Durchgangs während der Generalreparatur für die Zeit von zwei Monaten angekündigt. Daran hat sich niemand gehalten. Weil ich unseren Alabai spazieren führen musste, bin ich den anderen gefolgt. Sie sehen auf folgendem Foto, wie da Adrenalin hochkam...


        Allerdings wurde wirklich eine ordentliche Reparatur durchgeführt - die tragenden Balken durchgängig erneuert und auch der Belag darauf. Nun ist es jedoch wieder soweit. Zwar hat ein Sponsor den teilweise durchgefaulten Belag ersetzen lassen, die zum Teil von den Jugendlichen demontierten Geländer wurden ersetzt - aber die Brücke macht nicht den Eindruck, dass sie jeden Augenblick zusammenfällt.

        Jedoch sieht das die Stadtverwaltung anders. Vor beiden Aufgängen sind stabile metallische Barrieren auf Betonsockeln errichtet (Motorroller kommen aber doch vorbei) und doppelt so große Schilder aufgestellt worden, verglichen mit 2004. Durchfahrt und Durchgang werden aber nicht "auf eigene Gefahr" begrenzt, sondern kategorisch verboten. Weil "die Brücke sich in Havariezustand befindet."

        Weder die Ukrainer noch ich halten uns an diese Verfügung. So kann "Verachtung von behördlichen Anweisungen" auch anerzogen werden.

        Wenn daraus aber im allgemeinen Straßenverkehr wegen der Gewohnheit, Vorgaben nicht zu beachten, hunderte von Verkehrstoten das traurige Ergebnis sind - dann ist diese "leere Drohung" eine unvernünftige Handlung - meine ich. Wunderland!

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen