Nutzensfreude


           Hier in der Überschrift haben Sie ein neues Wort. Von mir erfunden.  Das Gegenteil der Schadensfreude. Von der man sagt, sie sei die reinste Freude. Das kann ich nicht bestätigen. Denn noch klarer als diese Freude scheint mir die, welche aus Guttun herrührt. Freude von einer Tat ausgelöst, welche jemanden einen, selbst sehr kleinen Nutzen bringt.
          In unserem Hause wohnt ein Nachbar – direkt über uns. Wenn Kostja geht, läuft er fast so wie ein Sportler der Disziplin „Gehen“. Außerdem scheint er ständig in Eile. Aber er hat Zeit für angenehme Kleinigkeiten. Wir streben von verschiedenen Seiten auf die Haustür zu. Ich mit angeleintem Hund. Er ist viel eher an der Tür als ich, öffnet sie. Jedoch wartet er auf uns. Wir begrüßen einander mit Handschlag und fahren im Lift hinauf. Ich bedanke mich für die Freundlichkeit.
          Ein anderes Mal, auch nicht selten: wir kommen aus der Vorsaaltür, hören über uns das Schließen dieser und wie jemand uns vor der Nase weg den Aufzug heraufruft. Die Person besteigt den Lift, lässt den anfahren und auf unserer Etage halten. Es ist Kostja. Außer ihm gibt es niemandem im Hause, der so gutmütig-gutwillig gegenüber jedem Nachbarn ist. Auch ihm ein Dankeschön, als er die Haustür aufhält – obwohl er es scheinbar eilig hat.
           Ich freue mich immer, wenn sich mir gegenüber eine Person hilfreich verhält – ohne vorläufig darauf direkt angewiesen zu sein.
           Im Erdgeschoß wohnt eine über 80 Jahre alte Frau, die mit Mühe laufen kann. Einkäufe erledigt ihre Tochter für sie, die einige Minuten entfernt wohnt. Nur hat die alte Dame den eisernen Willen, bei trockenem Wetter (auch bei Frost) täglich mindestens eine Viertelstunde auf der Bank vor dem Hause an der frischen Luft zu sitzen.
           Sie freut sich, wenn Kai zu ihr kommt, damit sie ihn ausgiebig streicheln und zausen kann. Besonders dankbar ist sie, wenn wir sie auf ihrem Weg zur oder von der Bank treffen und ich ihr die recht schwere Tür aufhalte. Welch eine Kleinigkeit – und wieviel gute Laune bei beiden danach! 
         Ja, kurzzeitig – ich weiß das, liebe Kritiker. Aber wie heißt es bei so treffend bei Robert Browning: „Jede Freude ist ein Gewinn und bleibt es, auch wenn er noch so klein ist.“
       Oder diese Worte eines unbekannten Autors, die für mich noch einprägsamer sind: „Hilf heute einem anderen Menschen. Dadurch werden deine Freude und Begeisterung gestärkt.“
       Meine Natascha bewies vor einigen Tagen, dass sie ebenso positiv denkt und machte damit gleich mehreren Menschen eine Freude – auch mir. Unsere Freundin Nina hatte dreimal eine Stirnhöhlenoperation hinter sich bringen müssen. Natascha hatte sie im Krankenhaus besucht. Dabei hatte sie erfahren, dass die arme Frau zu einer Nachuntersuchung nach Kiew musste. Deshalb bot sie ihr an, die Fahrt dorthin zu übernehmen.
       Aufstehen in aller Herrgottsfrühe, um bei recht intensivem Verkehr die rund 80 km so zeitgerecht zu überwinden, dass die eben erst gesundete Frau rechtzeitig alle Stationen besuchen konnte, welche zur Einschätzung ihrer Invalidität zu begehen waren. Es ist hier nicht der Ort, die gesamte Geschichte auszuwalzen. Nina hat sich mit Tränen in der Stimme bedankt. Innere Bewegung und Freude am Ergebnis waren meiner Lieben auch anzumerken. Und ich freute mich darüber, dass eine Freundschaft weiter gefestigt wurde. 
            Tun Sie Anderen und damit sich Gutes. Selbst wenn es Kleinigkeiten sind - es kommt zu Ihnen zurück. Sicher!

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger  
















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