Verkehrs-Sünder oder - Ein Hurenhaus geriet in Brand

    Auf einer Seite, einem Blog oder irgendwo sonst im Netz traf ich auf die Bemerkung, dass die Träger eindeutiger kirchlicher Berufsbekleidung wegen ihrer gewissen sexuellen Vorlieben in Deutschland sogar öffentlich mit einer recht groben Bezeichnung beschimpft werden dürfen, ohne dass die diese Bemerkung nutzende Person Strafverfolgung fürchten muss.

    Finde ich gut.
    Nur: macht das die Taten ungeschehen? Oder ist es das üble Beispiel, welches die guten Sitten verdirbt?

    Rechte Erziehung wird absolut nicht durch mahnende oder wegweisende Worte erreicht, zumindest nicht durch sie allein, sondern erst so recht gefestigt durch jene Taten, welche diese Worte bestätigen.
Nun besteht die Welt der Erwachsenen durchaus nicht nur aus erziehungswilligen Persönlichkeiten.
Ab der Abnabelung von ihren Eltern wollen angeblich die vor allem jungen Menschen „alles besser machen“, als das, was Eltern in erster Linie, aber dazu Lehrer, Lehrmeister und andere „Erziehungsträger“ so grundlegend falsch machten …
Wie sagte der französische Dramatiker Jean Anouilh sehr passend:
„Kinder müssen die Dummheiten der Erwachsenen ertragen, bis sie groß genug sind, die selbst zu machen.“
  
    Was kommt dabei gewöhnlich allseitig sichtbar heraus?
    Das formulierte Wieslaw Brudzinski recht deutlich: „Was für eine lasterhafte Jugend! Statt auf die Alten zu hören, ahmt sie diese Alten nach!“

    Aber auch später – wenn der „Widerspruch in jedem von uns“ einmal krampfhaft die Lücke sucht, eigenes Handeln und/oder Versagen zu rechtfertigen, suchen und finden wir Vorbilder. Ob es ein Bundespräsident ist, ein ehemaliger Verteidigungsminister oder die Herren (aber auch Damen) in Talaren.

    Wenn die das dürfen – warum ich nicht? Wenn wir doch alle gleich sind vor dem Gesetz?

    Zurück in das Land, in dem ich lebe – in die Ukraine.
    Am 6. Januar dieses Jahres war in Odessa ein „Väterchen“ (batjuschka) im Talar mit einem 500-er Mercedes schuldhaft Verursacher eines ernsthaften Verkehrsunfalls.
    Seine Begründung für die überhöhte Geschwindigkeit einschließlich Nichtbeachtung der Vorfahrtsregeln: er habe sich zum Gottesdienst beeilen müssen. Gewissermaßen: der HERR hat gerufen …

    Um die Mittagszeit des 8. Februar 2012 fiel Posten der Verkehrspolizei in einer der meistbefahrenen Straße Kiews ein Jeep auf, der entgegen den Straßenverkehrsregeln durch die Gegend gesteuert wurde. Hinter dem Lenkrad ein stark angetrunkener Priester der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Mehr als eine Stunde dauerte es, bis „Väterchen“ sich ruhig verhielt. Zuerst stürzte er sich auf die uniformierten Ordnungshüter, riss Schulterklappen und Kennungszeichen ab, danach wendete er sich deren Technik zu, traktierte mit Hieben das Streifenfahrzeug und sogar ein Linientaxi.
    Zur persönlichen Sicherheit schloss sich „Herr Vater“ im eigenen Fahrzeug ein, unterhielt sich mit Journalisten, segnete die „geehrten Zuschauer“ und setzte dazu: „Ein Priester ist überall ein Priester. Mir scheint, dies ist mein bester Augenblick.“ Vielleicht meinte er den riesigen Stau, welchen er verursacht hatte … Die Leute darin verfluchten ihn eher, als zum Gebet niederzuknien …
    Auf die Forderungen, sich einem Alkoholtest zu unterziehen, reagierte er vor Zeugen negativ. Ein Protokoll wurde erstellt, er gab den Führerschein ab, verweigerte die Annahme eines zeitweiligen Dokuments. Der Pajero wurde von einer „Vertrauensperson“ auf das Gelände des Kiewer Höhlenklostern gefahren.
    Bei diesen Einzelheiten lasse ich es.

    Wie schrieb der Pastorensohn Gotthold Ephraim Lessing über die Beispielwirkung der Geistlichkeit schon vor rund 250 Jahren:

        Ein Hurenhaus geriet in Brand.
        Da sprangen, um zu helfen und zu retten
        ein Dutzend Mönche von den Betten.
        Wo waren die?
        Sie waren bei der Hand!
        Ein Hurenhaus geriet in Brand …

Nur: wollen wir bitte nicht alles auf die Priester, Pfaffen, Pastoren, Popen abwälzen.
Wie heißt es in deren „Dienstvorschrift“, der Bibel, die ich aus Interesse am menschlichen Kulturgut aufmerksam gelesen habe:
„Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.“

Wann haben Sie persönlich das letzte Mal ein die gute Sitte nicht förderndes Beispiel gegeben? Ich weiß, dass auch ich „gesündigt“ habe in dieser Sache.

Weil: es gibt nichts Ärgerlicheres als ein gutes Beispiel – sagt der Volksmund.
Es ist nicht leicht, ständig Vorbild zu sein.
Aber eine Winzigkeit besser is es schon als angetrunken hinter dem Lenkrad im Auto oder pädophiler Heuchler!

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger

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