Das nächste Krebsopfer … und Hoffnungsschimmer?

Mein Handy zeigte gestern 5 Minuten vor 12 Uhr an, als meine Frau mich anrief. Ein Bekannter hatte ihr mitgeteilt, dass unser Freund Peter B. am Tag zuvor gestorben war. Die Beerdigung begönne am heutigen Sonnabend um 13 Uhr. Ich hätte eben noch die Zeit, mich umzuziehen, Blumen zu kaufen und zum Trauerhause zu fahren. Sie und Pavel wären zu weit weg, um selbst bei schneller Fahrt bis zu dem Zeitpunkt vor Ort zu sein.
Peter war krebskrank gewesen. Als wir die Familie vor etwa 4 Wochen besuchten, hielt er sich tapfer, bot mir Wein aus seiner Heimat Bulgarien an und sprach nur in Andeutungen von der zweiten Operation, von Bestrahlung und Chemotherapie. So, als wären das nebensächliche Dinge. Er hätte vor, im Sommer in die Heimat zu fahren und lud uns ein, mitzukommen. Ein lebensbejahendes Gespräch, ein optimistisches. Ganz wie von ihm gewöhnt.

Weil ich annahm, dass genügend Geld in der „Verbrauchsdose“ lag, hatte ich danach keine Frage gestellt. Natascha hatte aber alles daraus zum Tanken mitgenommen. Kurz entschlossen: Olga pumpt mir etwas. Das ist die Verkäuferin in einem nahe gelegenen Kiosk, die wir gut kennen. Ich erklärte den Grund meines Problems und bekam ohne Weiteres 50 Hrywna – nicht einmal 5 Euro. Die 6 Nelken kosteten 30 Hrywna. Hier muss ein Strauß zur Beerdigung eine geradzahlige Anzahl von Blumen enthalten. Das hatte ich bei einem „Fehlkauf“ anlässlich eines Geburtstages von meiner Frau deutlich eingeprägt bekommen …
Vor dem Haus, in dem die Familie wohnt, viele Pkw, Personen mit Blumen, die in den Eingang strebten. Mit Annäherung an den Torbogen wurden alle deutlich langsamer. Auch ich. Dann in die Wohnung im 3. Stock – überall geöffnete Türen, verhängte Spiegel. Im Wohnzimmer der offene Sarg. Ein gespenstig bleicher Peter darin. Nicht die Spur des Mannes, mit dem wir gut Freund waren. Nach  einer Verneigung legte ich wie alle meine Blumen zu seinen Füßen. Dann ging ich zur Witwe, die mit ihren Töchtern in der Tür zum Nebenzimmer stand, umarmte sie und sagte ihr mit einem Kloß im Hals, dass unsere Familie für sie da sei, wenn sie es wünschte.

Auf dem Hof waren, als ich herauskam, etwa 120 – 130 Personen versammelt. Ich stellte mich ein wenig abseits, denn ich erwartete Wolodja mit Frau. Er hatte, obwohl in der Nähe wohnend, auch erst beim Training mit seinen Karate-Schülern erfahren, dass Peter beerdigt würde. Beide kamen aber noch rechtzeitig, weil sich die Abschiedszeremonie in der Wohnung, das „Aussingen“ mit einem Priester, etwas verzögerte.
In der Wartezeit erlebte – zumindest ich – die unmittelbare Nähe zum Weiterleben. Eine junge Frau, wie alle bis zu diesem Augenblick ernst aussehend, wurde plötzlich strahlend froh. Sie überquerte die freie Fläche in der Mitte, um zwei ihr nahestehende Personen herzlich zu begrüßen – mit gedämpfter Stimme, jedoch mit Umarmung, Küsschen und unbeschwerter Miene. Sie hatte natürlich ein Recht darauf – aber es gab doch einen Gegensatz zwischen dem Leid der Familie und dem Bewusstsein gemeinsamer weiterer Tage für die Erwähnten.

Wolodja war erst vor drei Tagen bei Peter gewesen, vom Tode überrascht, weil der Peter besser ausgesehen habe. Eine bekannte Erscheinung – das letzte „Aufblühen“.
Es wurde der offene Sarg im Hof aufgebahrt. Dann begann das, was ich den „Abschied von Haus und Nachbarn“ nenne. Eine recht lange Totenmesse begann. Hier waren zwei Priester und eine Gruppe von Frauen beteiligt, welche den hauptsächlichen Teil der vorgeschriebenen religiösen Texte mit relativ wenig modulierter Melodie vortrugen. Zwei Elemente waren anders, als ich sonst bei Beerdigungen hier erlebte.
Der Pope mit dem höheren Rang ging vor Ende der Messe zu den Hinterbliebenen, legte den drei Frauen ein sakrales Tuch über ihre Köpfe und sang aus einem speziellen Gebetbuch einen deutlich für sie bestimmten Text. Ukrainisch gesungen verstehe ich noch weniger.
Danach wandte er sich mit einer Rede an die Anwesenden. Er hob berechtigt Peters menschliche Vorzüge hervor und formulierte: „Er war ein Mensch, der immer etwas weiter dachte. Als wir an einer Stelle in der Stadt eine Kapelle errichten wollten, schlug er vor, erst die elektrischen Kabel weiträumig zu verlegen, die dort im Boden lagen. Auf unsere Frage antwortete er: „Wenn hier vielleicht später eine Kirche gebaut werden soll, muss diese Arbeit unter ungünstigere Bedingungen doch gemacht werden. Ich werde aus meinem Handy seine Telefonnummer nicht austragen. Seiner Familie werde ich weiter Zuspruch leisten. Sie hat es um ihn verdient.“

Wolodja, seine Frau und ich fuhren nicht mit zum Friedhof. Wolodja hatte mir erst gesagt, dass er psychisch nicht dazu in der Lage sei – nach dem Besuch vor drei Tagen bei Peter. Er und seine Frau luden mich zu sich ein, um einige Bissen zu essen und die üblichen Gläschen – ohne Anzustoßen – darauf zu leeren, dass, wie es hier heißt, „ihm die Erde federleicht sein möge“. Ich hatte, weil recht hoch gewachsen, die gesamte Zeit der Messe das tote Gesicht unseres davor so lebendigen Freundes vor Augen und mit den Tränen zu kämpfen.

Heute nun erzählte ich der Olga, welche mir das Geld geborgt hatte, von dem Gegensatz Tod-Leben, den ich bemerkt hatte. Sie darauf: „Vor Jahren war es in unserem Dorf noch extremer. Eine lang geplante Hochzeit lässt sich nicht so rasch absagen. Deshalb spielte das Blasorchester erst Trauermärsche und nach der Rückkehr von der Beerdigung auf dem Nachbarshof in anderer Instrumentalisierung zur Hochzeit auf.“

Als ich vom Abendspaziergang mit Hund heimkam, wurde im Fernsehen eine Reportage über drei Abende angekündigt: „Hoffnung auf Heilung von Krebs mit neuem Medikament“. Die werde ich mir unbedingt ansehen. Und darüber einen oder den anderen Post schreiben.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger

P. S.
Sie finden im Archiv hier den Post "Krebsvorbeugung?" und Ideen zu Vorsorge mit krebshemmenden Ernährungsbestandteilen in „Die Raubtier-Diät

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