Erlebnis mit Fantasy geht weiter ...

Fantasy antwortete:
Ich bin 16 Jahre alt.
Zuerst einmal, hätte ich die gleiche harte Kindheit gehabt wie du (und ich muss hier ernsthaft Respekt aussprechen), hätte ich wohl nie Zeit gehabt, mir über so etwas Gedanken zu machen - ob das gut ist oder schlecht, das musst du wohl für dich selber entscheiden. Zudem will ich nicht in die Natur fliehen, weil es mir hier zu hart ist. Im Gegenteil. Bis vor Kurzem hatte ich immer das typische Ziel, erwachsen werden, studieren, Job, Haus bauen, Frau... und bis jetzt bin ich auch gut durchgekommen, hatte wenige Probleme in der Schule und mit dem Leben und ich bin mir sicher, dass ich das heutige Leben packe, wenn ich es wirklich wollte. Nur habe ich nach einiger Zeit begonnen, das alles zu hinterfragen. Ich habe mir gedacht "Was bringt mir das alles eigentlich?" "Wirst du dadurch wirklich glücklich?" "Was willst du wirklich?" und mit der Zeit kam dieser Wunsch dann auf. Das ist übrigens keine Eine-Woche-Phase, ich habe das jetzt schon ein bisschen länger als ein Jahr, wenn sich seitdem auch ein bisschen was geändert hat.
Wie gesagt, mir ist durchaus bewusst, was individuelles Lernen für Konsequenzen nach sich ziehen würde. Ich hatte auch nie behauptet, dass das der richtige Weg wäre. Nur leider rechtfertigt das eben nicht das heutige System. Weshalb ich meine Gedanken gut formulieren kann, ich habe nie gelernt, so zu schreiben, ich bin vor dem PC einfach in mich gegangen und habe das niedergeschrieben, was mir in der letzten Zeit so durch den Kopf ging. Da hilft mir keine Inhaltsangabe zusammen mit einer Texterörterung und auch keine Sprachanalyse weiter.
Du sagst, wenn ich in der Wildnis leben will, kann ich dort nach Herzenslust hungern, schwitzen, frieren, dreckig bleiben und Zähne verlieren. Du sagst, wenn ich aus der "Massenzucht" wegrenne, ist das Feigheit. Aber kommt das nicht auf das Motiv an, auf dem man seine Taten begründet? Ist es das Gleiche, wenn man wegrennt, weil man glaubt, man packt dieses Leben nicht mehr oder aber das Leben packen würde, es einen aber nicht interessiert?
Ich muss aber sagen, dass mir dein Beitrag auch sehr gefallen hat. Danke dafür!

Guten Tag Fantasy, 
heute komme ich nochmals elektronisch auf dich zu. Zuerst einmal möchte ich mich bei dir bedanken. Provoziert durch deinen Hilferuf, habe ich eine Menge interessante Persönlichkeiten unter den Antwortenden gefunden, was meinen Horizont erweiterte. Die meisten unter ihnen waren voller Verständnis für dich und bereit, dir zu helfen.
Das solltest du einmal durch deinen Kopf gehen lassen. Sachlich schreist du ständig nach der Einsamkeit (Freiheit ohne Einschränkungen!) – gleichzeitig wendest du dich mit dieser Bitte um Hilfe nicht an Krokodile oder Affen, sondern an Mitglieder deiner Horde (Sippe, Stamm, Gemeinschaft, Volk …). Der Mensch in der heutigen Welt ist mehr als in der Urzeit ein gesellschaftliches Wesen. Das ist durch seine Vermehrung so gekommen. Es ist ein Zwang der Natur – der herrscht hier. Wenn du frei entscheidest, dich diesen Zwang nicht zu unterwerfen, dann sei bitte auch so konsequent und frage nicht bei denen, mit denen du nichts zu tun haben willst, sondern bei Bergen, Tälern, Klippen, Wäldern, Wiesen, Flüssen, Seen und den sie bewohnenden Lebewesen nach. Nebenbei: wenn du beim Wolf zum Nahrungskonkurrenten wirst, frisst der dich ein bisschen auf – dir dürfte das mit ihm etwas schwerer gelingen. Von Menschen gefertigte Waffen willst du sicher nicht in das „freie Leben“ mitnehmen – das wären Mittel zur Unterdrückung der freien Tiere …
Zitat Fantasy: „Und ich scheue auch nicht vor Arbeit zurück, so ist es nicht. Das Leben in der freien Natur, in Bergen, Tälern, Klippen, Wäldern, Wiesen, Flüssen, Seen, mag zwar viel anstrengender sein als das moderne Leben mit Internet, TV und der festen Stelle und viel mehr Arbeit und Herausforderungen anfordern, dafür ist der Lohn, den man dafür bekommt, umso höher. Man bekommt immer das Leben, das man sich bereitet. Das Niveau deiner Lebensweise entspricht immer der Arbeit, die du in sie hineinsteckst. Und im Unterschied zu dem modernen Leben kann ich mich frei dazu entscheiden, mir diese Zwänge, die in der Natur herrschen, aufzuerlegen.“
Wie willst du existieren? Als Jäger? Sicher nicht – siehe Waffe oben. Als Sammler? Kennst du außer dem Champignon aus der Kaufhalle wenigstens einen einzigen essbaren, trockenbaren Pilz oder kannst du giftige Waldbeeren erkennen? Du kannst doch keine von der Gesellschaft produzierten Einmachgläser mit dir rumschleppen – oder? Als Ackerbauer? Die Wildschweine haben keinen Respekt vor deiner Parzelle – die fressen auf einen Ritt weg, was du für einen ganzen Winter ernten wolltest … Wenn das in einem anderen Erdenwinkel ist, heißen die Viecher vielleicht anderes, wollen aber auch fressen.

Goethe meint dazu: „Grau, mein Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldener Baum.“ Im gleichen Faust heißt es: „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss.“ Bist du schon auf dieses „Erobern“ echt vorbereitet?

Zitiere Fantasy: „Zu der Sache mit der Familie: Wahrscheinlich habe ich mich da einfach überschätzt. Aber es ist so, dass ich bis jetzt mit 16 Jahren noch nie richtig geliebt habe. Ich weiß einfach nicht, wie es sich anfühlt, zu lieben.“
Aus allem, was ich in den letzten Tagen von dir gelesen habe, folgt: du liebst dich!
Das ist erst einmal schon sehr gut. Denn du willst glücklich werden. Zitat: "Ich habe mir gedacht "Was bringt mir das alles eigentlich?" "Wirst du dadurch wirklich glücklich?" "Was willst du wirklich?" und mit der Zeit kam dieser Wunsch dann auf. Das ist übrigens keine Eine-Woche-Phase, ich habe das jetzt schon ein bisschen länger als ein Jahr, wenn sich seitdem auch ein bisschen was geändert hat.“ 

Ich meine: nur wer einen Vorrat hat an Glück, der kann andere damit beschenken. Denn du solltest auch akzeptieren, dass diese Worte stimmen: „Liebe ist das Wohlgefallen am Guten. Das Gute ist der einzige Grund der Liebe. Lieben heißt: Jemandem Gutes tun wollen...“ (Thomas von Aquin) 

Lieben – das ist – weg von aller Romantik, welche das Schönste an ihr ist – harte Arbeit an sich selbst, um lange, vielleicht für immer, dem Partner täglich begehrenswert zu sein. Sex – oder Ficken, wie du es nennst – ist eine ebenfalls naturbedingte, nur beim Menschen und bei einigen Affen besonders lustbetonte „Zugabe“ zur Liebe. Die kann man nicht kaufen – Sex schon. Hiermit will ich es bewenden lassen. Grips hast du ja. Ach nein – da sind noch die Anarchisten. Was haben ihre Morde (von dir als „Gewalt“ verabscheut) denn der Gesellschaft gebracht? Nichts! Ihnen persönlich Kugel oder Strick. Erstrebenswert?

Wenn du ernsthaft etwas mit Menschen am System (einschließlich Bildungssytem) verändern willst - hier ist ein Tipp. Suche unter "NeuDeutschland" im Netz. 

Du entscheidest.

Alles Gute! 

Siegfried 

 


Nichts kann der Mensch weniger vermissen als den Menschen. Und ohne Liebe und Freundschaft kann man nicht mehr leben, wenn man sie einmal erlebt hat. Auch die Verzweiflung über die eigene Dummheit wird größer, wenn man sie mit sich allein austragen muss...                                                     Jean de la Bruyère

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