Nur Syphilis!

        Vor 8 Jahren hatte ich mit einem Turmdrehkran-Fahrer in einem 5-Mann-Zimmer des ukrainischen Krankenhauses gelegen. Seine Op-Wunden verheilten schlecht. Deshalb hatte er immer etwas gedrückte Stimmung. Als ich ihn heute in der Frühe traf, sah er wieder etwas bedrückt aus. Ich wusste, dass seine Frau im Krankenhaus liegt - nach einer Operation. Deren Ergebnis: sie ist nicht krebskrank.
        Heute nun sagte er mir, dass bei ihr das Fieber nicht sinken will - sie hätte keinen Appetit und sei schon stark abgemagert. Ich erinnerte ihn an die gemeinsame Zeit und daran, was ich ihm schon damals sagte: "Das hier sollte "Gesundheitshaus" (oder schöner) heißen. Mit der Stimmung "Ich werde hier gesund!" ist mehr zu erreichen als mit der Einstellung, ein Kranker zu sein." Er hatte sich damals durchgerungen und die Heilung war eingetreten.
        Ich bat ihn, seine Frau von mir zu grüßen. Sie hätte doch allen Grund, sich ganz doll über die Gewissheit zu freuen, dass das entfernte Gewebe gutartig ist. Ich empfahl ihm, ihr den Witz zu erzählen: Ein Mann kommt hüpfend die Treppe zum Krankenhaus herunter gesprungen und ruft laut und wiederholt: "Syphilis! Nur Syphilis!" Ihm entgegen ein Bekannter: "Was soll dein Geschrei???" Er: "Vor drei Tagen sagte man mir, ich hätte AIDs. Heute riefen sie an - ich musste herkommen. Der Arzt entschuldigte sich - man hatte die Analysen verwechselt. Ich habe nur Syphilis!" Wir verabschiedeten uns lachend.


        Auf dem Weg am Flussufer landete vor uns ein Vogel, etwas größer als ein Sperling. Den erkannte ich sofort an seinem lichtblauen Rücken, hellem Bauch und relativ langem Schnabel - ein Kleiber. Der "Nestklauer" - aber nicht Besetzer und Mörder wie der Kuckuck. Sondern so, dass er geschickt die Eingänge von leeren Spechthöhlen, aber auch von natürlich gebildeten mit Lehm "verklebt" (ehemals "verkleibt"), damit nur er und sein Weibchen hineinpassen bzw. herauskommen. Er flog auch bald wieder auf, um uns zu zeigen, wie er geschickt einen Baum hinauf und kopfüber auch herunter laufen kann. Das bringt kein anderer Vogel.


        Nach dem Bad - heute nicht ganz so weit von zuhause - zum Trocknen wieder nackt auf dem Wege. Plötzlich hinter mir ein Ruf: "Achtung, Nackte!" Ich wendete mich, das Kleiderbündel als Feigenblatt nutzend, halb herum und antwortete: "Nur ein Nackter." Die beiden Männer kamen auf recht modernen Fahrrädern heran. Gäste im Ort, wollten sie wissen, wie es hier wo etwas mehr beim Angeln zu fangen gäbe.Wir unterhielten uns. Mein schwacher Akzent fällt jedoch immer wieder auf. Im Gespräch stellte sich heraus, dass einer der beiden schon vor langem in die USA ausgewandert war - zum Urlaub aber in die Heimat kommt ...
        Beide fuhren weiter, nachdem sie meine gesunde Lebensweise gelobt hatten. Eine Viertelstunde später - inzwischen angezogen - sah ich beide auf einer kleinen Lichtung sitzen. "Kommen sie doch her, machen sie ein wenig Yoga mit." Ich lehnte dankend mit dem Hinweis darauf ab, dass ich leider bei dem Handicap mit meinem linken Knie nicht einmal den erforderlichen Schneidersitz einnehmen kann. 


        Wieder gewöhnliches Leben - und interessant. Das ist eine Frage der Sicht darauf ...


Bleiben Sie recht gesund!


Ihr


Siegfried Newiger





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen